Fischer: Zur Wahl des australischen AR-DRG-Systems als Grundlage für ein deutsches DRG-System.

Z I M - Artikel f&w Nr. 4, Juli/Aug. 2000: S. 336-337       Juli 2000
Letzte Änderung: 16.02.2001


Zur Wahl
des australischen AR-DRG-Systems
als Grundlage
für ein deutsches DRG-System

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Dieser Text erschien unter dem Titel:
«Das AR-DRG-System ist klinisch und ökonomisch sehr flexibel»
in f&w Nr. 4, Juli/Aug. 2000: S. 336-337.
      
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Einleitung

Mit dem Entscheid der «Selbst­verwal­tung», das australische AR-DRG-System als Grundlage für eine deutsche Anpassung zu benutzen, wurde in Deutschland ein deutliches Signal in Richtung Selbstbestimmung und Eigenentwicklung gegeben. Eigentlich gäbe es ja insbesondere in den USA verschiedene «fertige» Systeme. Da aber das DRG-System in Deutschland nicht nur als simples Klassi­fi­kations­system verwendet werden soll, sondern auch als Grundlage für das neue Entgeltsystem der Kranken­häuser, macht es Sinn, nicht nur die für die Abrechnung benötigten Kennzahlen wie Kosten­gewichte und durch­schnitt­liche Verweildauern selbst zu kalkulieren, sondern auch die Gruppeneinteilung aufgrund der Massgaben des eigenen Landes zu definieren und zu warten.

Das australische ARDRG-System

Das System der «Australian Refined Diagnosis Related Groups» (AR-DRG) entstand 1998 als Nachfolger des ANDRG-Systems («Australian National Diagnosis Related Groups»). Mit diesem Schritt verselbständigte sich die bisher stark an den ameri­ka­nischen Vorbildern ausgerichtete DRG-Ent­wick­lung in Australien.

 

Als Besonderheiten des AR-DRG-Systems sind zu erwähnen:

 

  • In den meisten DRG-Systemen werden die DRG-Haupt­kate­gorien nach chirur­gischen und medizi­nischen DRGs unterteilt. Im ARDRG-System wurde eine zusätzliche Unter­teilung für die nicht-chirur­gischen Prozeduren geschaffen.
  • Jede Neben­dia­gnose wird nach ihrer Ressourcenintensität gewichtet (und nicht nur die schwerwiegendste wie bei den meisten anderen DRG-Systemen). Es wird eine Skala mit fünf CC-Stufen verwendet. Aufgrund eines daraus errechneten Gesamt­schwere­grades namens «PCCL» («Patient Clinical Complexity Level») wird die Schwere­grad-Kategorie des Falles bestimmt.
  • Für jede als Neben­dia­gnose auftretende Diagnose können bis zu fünf unter­schied­liche Schwere­grade definiert werden. Dies kann in Abhän­gig­keit von der Basis-AR-DRG des Behandlungsfalles, des Geschlechts und der Entlassungsart geschehen. In der australischen Praxis wurde dabei grundsätzlich zwischen chirur­gischen und medizi­nischen Fällen unterschieden, und es sind 2 bis 3, zum Teil auch 4 Schwere­grade zu jeder Diagnose, welche in die Liste der signifikanten Neben­dia­gnosen aufgenommen worden ist, definiert worden.
  • Nicht alle der 409 Basis-AR-DRGs der vierten Version sind nach Schwere­grad-Kategorien unterteilt. Damit konnte die An­zahl Behand­lungs­fall­gruppen mit insgesamt 661 ARDRGs klein gehalten werden.
  • Die Nummerierung der ARDRGs folgt der Hierarchie des Systems (was bei DRG-Systemen bislang unüblich war).

Tafel 1:
Hierarchische Struktur des ARDRG-Systems

Tafel 1: Hierarchische Struktur des ARDRG-Systems

 

Quelle: Fischer [SL/AR-DRG, 2000].

1 Währenddem man aus klinischer Sicht die Verwendung von Basis-AR-DRGs in Kom­bina­tion mit der 5-stufigen Ver­feine­rung «PCCL» (Patient Clinical Complexity Level) bevorzugen wird, kann aus ökonomischer Sicht eine aggregierte Form mit z.B. – wie nun in Deutschland vereinbart wurde – maximal 3 Ressourcenintensitäts-Kategorien eingesetzt werden.

Beurteilung

Mit dem AR-DRG-System wurde ein System gewählt, das auf der Tradition der ameri­ka­nischen DRG-Systeme aufbaut, welches jedoch aufgrund der damit gemachten Erfahrungen neu und flexibel konzipiert worden ist.

Zur Flexibilität gehört insbesondere, dass sich das System aus klinischer und ökonomischer Sicht unter­schied­lich stark aggregieren lässt.1

2 Fischer [DRG-Systeme, 2000]: 117 ff.

 

Ein bewerteter Vergleich verschiedener etablierter DRG-Systeme zeigte, dass keines der beurteilten Systeme den andern deutlich überlegen war.2 Da es in Deutschland jedoch zum Vorneherein um eine Anpassung und nicht um eine Übernahme eines Systems ging, ist die Transparenz der Systemarchitektur und deren Anpassbarkeit von besonderer Bedeutung. In dieser Hinsicht kann die Wahl von AR-DRG als gute Wahl beurteilt werden.

 

Man könnte einwenden, dass mit dieser Wahl kein international kompatibles Instrument gewählt wurde. Das ist richtig. Nur muss ebenfalls festgehalten werden, dass es heute eine bunte Vielfalt von DRG-Systemen gibt und dass sich bislang keines dieser Systeme als internationaler Standard durchgesetzt hat. Im europäischen Raum sind u.a. auch Frankreich und Grossbritannien eigene Wege gegangen.

 

Bei der Anwendung irgendeines der heutigen DRG-Systeme darf allerdings nicht darüber hinweg gesehen werden, dass die kostenmässige Homogenität der Behand­lungs­fall­gruppen Werte erreicht, die aus statistischer Sicht als akzeptabel gelten können. Die Streuungen der Kosten innerhalb der einzelnen Fall­gruppen ist nach wie vor hoch. Dies hängt mit einigen grundsätzlichen Konstruktions- und Anwen­dungs­problemen von Patienten­klassifi­kations­systemen zusammen. Dazu gehören insbesondere:

 

  1. die unpräzise Falldefinition (bedingt auch durch eine mangelnde zeitliche Strukturierung der Behand­lungs­einheiten);
  2. die Missachtung weiterer kosten­relevanter Patienten­merkmale, welche über die ärztlichen Diagnosen hinausgehen (z. B. Fähigkeits­einschrän­kungen, ausgewählte soziale Kriterien und Behand­lungs­ziele);
  3. die – insbesondere bei gewissen medizi­nischen Fällen vorhandene – Möglichkeit zur Manipulation der Gruppenzuteilung infolge einer nicht sehr präzisen Definition des Konzeptes der Haupt­diagnose;
  4. die in den meisten DRG-Systemen fehlende Berück­sichtigung von Mehrfach­behand­lungen.

 

Eine grosse Streuung der Kosten innerhalb einzelner DRGs bedeutet insbesondere für Kranken­häuser mit kleineren Fallzahlen ein grösseres finanzielles Risiko bei der Abrechnung nach DRGs.

Was zu tun bleibt

Da das gewählte AR-DRG-System «nur» als Grundlage für die Ausbildung eines deutschen DRG-Systems gewählt wurde, bleibt nun noch einiges tun, u.a.:

  • Schaffung der Voraussetzungen, um Testgruppierungen durchzuführen zu können. (Dazu gehört insbesondere die Anpassung des AR-DRG-Systems an die in Deutschland verwendeten Codie­rungs­systeme ICD-10 und ICPM.)
  • Validierung der Behand­lungs­fall­gruppen (AR-DRGs) in der deutschen Umgebung.
  • Repräsentative oder flächendeckende Er­he­bung von fallbezogenen Kostendaten; Kalkulation von Kosten­gewichten, durch­schnitt­lichen Verweildauern und Grenzwerten zur Ausreisserbestimmung.
  • Klärung der Falldefinition: Präzisere zeitliche Strukturierung des Behandlungsfalles; Berück­sichtigung von Auf­ent­halts­art und Entlas­sungs­desti­nation (Verlegungen!).
  • Schaffung von klaren Codierungsregeln (u.a. bezüglich der Formulierung der Haupt­diagnose) und Institutionalisierung der Überprüfung der Codierungsqualität.
  • Schaffung eines Ver­gütungs­systems, in welches das neue DRG-System eingebettet werden kann.
  • Schaffung von Regeln zur periodischen Überprüfung und Anpassung des Systems.

 

 

 

Literaturverzeichnis

Commonwealth of Australia
AR-DRG-4.1
1998
Commonwealth of Australia. Australian Refined Diagnosis Related Groups Version 4.1. Definitions Manual. Three Volumes. Canberra (Commonwealth Department of Health and Aged Care) 1998: 1128 S.
Fischer
DRG-Systeme
2000
Fischer W. Diagnosis Related Groups (DRGs) und verwandte Patienten­klassifi­kations­systeme. Kurzbeschreibungen und Beurteilung. Wolfertswil (ZIM) 2000: 181 S. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / studien / DRG-Systeme-0003-Info.htm.
Fischer
SL/AR-DRG
2000
Fischer W. Das australische AR-DRG-System als Grundlage für ein deutsches DRG-System. In: Streiflicht Z I M 2000(8)2. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / streiflicht / ARDRGs-in-Deutschland-0007.htm.

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Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/artikel/ARDRG-0007-FuW.htm
( Letztmals generiert: 23.11.2012 )