Fischer: Strukturierung von Behandlungsverläufen.

Z I M - Auszug PCS-Buch Jan. 1997
Letzte Ergänzung: Nov. 1998


Strukturierung von Behandlungsverläufen

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Leicht modifizierter Auszug aus dem Forschungsbericht
Patientenklassifikationssysteme, S. 55-61
(978-3-9521232-2-5)


      
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Inhalt
  1. Was ist ein "Fall"?
  2. Gliederungsmöglichkeiten

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1

Was ist ein "Fall"?

Behandlungs-
einheit
An einer sich über eine gewisse Zeit erstreckende Behandlung beteiligen sich oft mehrere Leistungserbringer, z.B. Gemeindekrankenpflege, Hausarzt, Spezialarzt und Krankenhaus, zum Teil auch verschiedene Abteilungen innerhalb eines Spitals. Bei der Überweisung des Patienten von einem Leistungserbringer zum nächsten entstehen Schittstellen.

Es stellt sich die grundlegende Frage, welche Ausschnitte aus einem meist längeren Krankheits- und Behandlungsverlauf als Behandlungseinheiten gewählt werden sollen, damit Vergleiche möglich werden. Aufgrund der zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Einteilung der Behandlung bieten sich "natürliche" Unterteilungen des Behandlungsverlaufes in Behandlungseinheiten an.

Administrativer
Fall
Eine dieser Behandlungseinheiten ist der stationäre Aufenthalt: Er dauert von Spitaleintritt bis Spitalaustritt. Er wird oft einfach als "Fall" bezeichnet. Um kenntlich zu machen, dass es sich um eine organisatorische Abgrenzung handelt, wird er genauer als "administrativer Fall" bezeichnet.

Wenn man den administrativen Fall näher anschaut, merkt man allerdings, dass dies ein mehr oder weniger willkürlich gewählter Ausschnitt aus dem gesamten Behandlungsverlauf ist.

 
 

    +-----------+--------+-------+------------+           +-----------+
    | Dia-      | Opera- | Nach- | Austritts- |           | Nach-     |
    | gnostik   | tion   | sorge | kontrolle  |           | kontrolle |
    +--------+--+--------+-------+------------+           +-----------+
    |        |                                |           |           |
=============¤================================¤==========================> Zeit

             ^                                ^
             |     stationäre Behandlung      |
             |                                |
              --------------------------------
                                              
                   administrativer Fall

Abb. 1: Elemente des administrativen Falles

 
 

Diskussionspunkte:
Diagnostik Wenn der administrative Fall als Behandlungseinheit verwendet wird, entsteht z.B. folgendes Problem: Die diagnostischen Abklärungen können je nach Behandlungsablauf zum Fall gehören oder nicht, denn bei elektiven (geplanten) Patientenaufnahmen werden in unterschiedlichen Arztsystemen des öftern unterschiedliche Behandlungswege eingeschlagen: In Belegarztsystemen herrscht die vorstationäre Diagnostik vor; in Chefarztsystemen wird die diagnostische Phase teils stationär, teils ambulant durchgeführt.
Medikamente bei früher Entlassung Eine weitere Frage ist, inwieweit teure Medikamente, die bei früher Entlassung nötig sind, Teil des Spitalfalles sind oder nicht.
Austrittsplanung Ebenfalls oft nicht vergleichbar sind Behandlungen von Patienten mit gleichen klinischen Problemen, die im Krankenhaus auf eine Entlassung nach Hause vorbereitet werden oder die in ein Pflegeheim überwiesen werden können.
Verlegungen / Überweisungen Ein weiteres Problem ist die Frage, ob Fälle bei Verlegungen innerhalb des Spitals unterteilt werden müssen und wie Überweisungen in ein anderes Krankenhaus gehandhabt werden sollen.
Ambulante Behandlungen Es gibt Probleme, die ambulant oder stationär behandelt werden können. Wie können solche "Behandlungsfälle" vergleichbar gemacht werden?
Ausreisser ("outlier") Es kann vorkommen, dass für Behandlungen von Patienten der gleichen Behandlungsfallgruppe sehr unterschiedliche Behandlungsaufwände anfallen. Um die sogenannten "Ausreisser" herauszufiltern, werden meistens untere und obere Grenzwerte für Aufenthaltsdauern definiert. Nur Behandlungsfälle innerhalb dieser Grenzen gehören dann zur entsprechenden Behandlungsfallgruppe.  
 
 
 

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2

Gliederungsmöglichkeiten

2.1

Gliederungsmöglichkeiten von Behandlungsverläufen

Die medizinische Versorgung von Patienten ist vielschichtig. Behandlungsverläufe mehrerer Probleme können nacheinander oder parallel ablaufen; eine unterschiedliche Anzahl von Leistungserbringern ist beteiligt; einer Langzeitbehandlung kann eine Akutbehandlung überlagert werden.

Grundsätzlich können Behandlungsverläufe nach folgenden Gesichtspunkten in Behandlungseinheiten unterteilt werden:

 
 
Grenzziehung Behandlungs-
einheit
Beschreibung
organisatorisch Kontakt Einzelner Kontakt mit einem Leistungserbringer, eingeteilt nach Aufenthaltsart:
  • ambulant
  • teilstationär
  • stationär
zeitlich Periode Alle Behandlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes:
  • Tag
  • Woche
  • Jahr
inhaltlich Episode Mehrere Kontakte bei einem oder bei mehreren Leistungserbringern zur Behandlung eines Problems
Behandlungs-
abschnitt
Abschnitte im Behandlungsverlauf mit unterschiedlichen (kurzfristigen, primären) Behandlungszielen:
  • Kontaktaufnahme
  • Prävention
  • Akutbehandlung
  • Rehabilitation
  • Betreuung/Pflege
  • Behandlungspause
Behandlungs-
phase
Elemente der Behandlungsabschnitte (mit unterschiedlicher Behandlungsmethodik):
  • Diagnostik
  • Therapie
    • Operation
    • andere Therapie
    • IPS-Aufenthalt
  • Nachbetreuung
  • Wartephase

Abb. 2: Behandlungseinheiten

 
 
  Behandlungsphasen
Dia-
gnostik
Therapie Nach-
betreuung
Warte-
phase
Ope-
ration
andere
Therapie
IPS-Auf-
enthalt
Behand-

lungs-

abschnitte

Kontaktaufnahme
e
         
Prävention
e
 
(x)
    
Akutbehandlung
X
X.. ..X
(x)
(x)
(x)
Rehabilitation
X
 
X
(e)
(x)
(x)
Betreuung/Pflege
e
 
(x)
(e)
 
X
Behandlungspause      
e

Abb. 3: Behandlungsabschnitte und zugehörige Behandlungsphasen

Legende:
X ist eine wesentliche Behandlungsphase eines Behandlungsabschnittes
(x) kommt nicht immer vor
e wird gewöhnlich in vereinfachter Form durchgeführt
(e) kommt nur gelegentlich, und dann in vereinfachter Form vor

 
 

2.2

Behandlungsepisoden

In einer Behandlungsepisode werden alle Behandlungen eines Patienten zum gleichen medizinischen Problemkreis zusammengefasst. Dies wird oft auch als medizinischer Fall bezeichnet. Eine Behandlungsepisode beginnt mit der Kontaktaufnahme des Patienten mit einem Leistungserbringer wegen eines gesundheitlichen Problems. Die Behandlungsepisode ist beendet, wenn der anfängliche Gesundheitszustand erreicht ist. Wenn dieser nicht wieder erreicht werden kann, dann endet die Behandlungsepisode erst mit dem Tod. Probleme ergeben sich bei einer solchen Definition besonders im Umgang mit möglichen Rückfällen. Beginnt bei einem Rückfall eine neue Episode oder ist er als Fortsetzung einer alten Episode zu betrachten? Man kann sich damit behelfen, dass man Episoden auch dann als abgeschlossen definiert, wenn während eines bestimmten Zeitraumes (z.B. während eines halben Jahres) keine Kontakte mit einem Leistungserbringer mehr erfolgten.
 
 

2.3

Behandlungsabschnitte

Eine Behandlungsepisode kann mehrere Behandlungen bei mehreren Leistungserbringern umfassen. Diese Behandlungen kann man nach der Art der kurzfristigen, primären Behandlungsziele in folgende Behandlungsabschnitte aufteilen:
Kontaktaufnahme Die Kontaktaufnahme kann durch den Patienten oder - z.B. bei Screenings - durch Leistungserbringer erfolgen. Es geht zunächst darum, einen Überblick über die aktuellen oder potentiellen Probleme zu erhalten und zu bestimmen, welches der für die allenfalls nötige Behandlung zuständige Leistungserbringer sein könnte. Es ist zu entscheiden, ob die Behandlung durch Institutionen des Gesundheitswesens erfolgen soll oder ob der Klient von anderen Institutionen des Sozialwesens oder evtl. der Kirche betreut werden soll.
Prävention Zur Prävention gehören einerseits Krankheitsverhütung durch Risikosenkung und Gesundheitsförderung (Primärprävention) und andererseits Früherkennung und -behandlung von behandlungsfähigen Befunden ohne Symptome. Nicht alle Arten der Prävention sind auf einzelne Patienten bezogen. Besonders die Primärprävention spricht oft ganze Bevölkerungsgruppen an. Im Rahmen dieser Arbeit interessieren uns nur Leistungen, die für einzelne (potentielle) Patienten erbracht werden.
Akutbehandlung Eine Akutbehandlung setzt sich zum Ziel, den Gesundheitszustand positiv zu verändern, indem nach Möglichkeit die Ursachen von Krankheiten behoben und für einen optimalem Heilungsprozess gesorgt wird.
Rehabilitation In der rehabilitativen Behandlung werden Krankheitsfolgen ititation behandelt. Es geht darum, "den Einfluss behindernder oder benachteiligender Umstände zu verringern und die Behinderten und Benachteiligten zu befähigen, soziale Integration zu erreichen". Das heisst: Auch eine rehabilitative Behandlung setzt sich zum Ziel, den Gesundheitszustand positiv zu verändern. Im Gegensatz zur Akutbehandlung wird in der Rehabilitation jedoch von bleibenden gesundheitlichen Schäden ausgegangen. Ziel der Rehabilitation ist es, damit umgehen zu lernen. - In der Rehabilitation gibt es verschiedene Schwerpunkte: die medizinische Rehabilitation, die berufliche oder schulische Rehabilitation und die soziale Rehabilitation.
Betreuung/Pflege Wenn für einen Patienten keinen positive Veränderungen des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden können, kann eine medizinisch-pflegerische Betreuung trotzdem nötig bleiben, um die Probleme zu lindern (z.B. Schmerzlinderung), um den Gesundheitszustand so sinnvoll als möglich aufrecht zu erhalten und um eine angemessene Lebensqualität anzustreben.
Behandlungspause Es kann - besonders während der rehabilitativen Behandlung - sinnvoll sein, Behandlungspausen einzulegen. Das erhoffte Behandlungsziel ist zwar noch nicht erreicht, aber es erscheint sinnvoll, die Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen, da dann durch die Veränderung der persönlichen Umstände eine Besserung aussichtsreicher erscheint.
 
 

2.4

Behandlungsphasen

Jeder Behandlungsabschnitt kann nach der Art der Behandlungsmethode in Behandlungsphasen aufgeteilt werden. Die wichtigsten Phasen sind Diagnostik und Therapie. An die Therapie kann sich eine über die unmittelbare Nachsorge hinausgehende Nachbetreuung anschliessen. Wegen Engpässen kann es dazu kommen, dass vor der Aufnahme einer weiteren Behandlungsphase oder eines neuen Behandlungsabschnittes Wartephasen mit medizinischer Betreuung eingelegt werden müssen: Dies sind hauptsächlich Patienten, die auf eine Verlegung warten und die in dieser Wartezeit betreut werden müssen. Typische Beispiele dafür sind Patienten, die auf einen Pflegeplatz warten, oder Patienten, die auf einen Termin für eine Herzoperation in einem dafür spezialisierten Spital warten müssen. Während solchen Wartephasen wird nicht eine Veränderung des Patientenzustandes beabsichtigt, sondern dessen Aufrechterhaltung.
Ein- und mehrphasige Behandlungs-
abschnitte
Wie aus obiger Abb. 3 ersichtlich wird, gibt es einphasige und mehrphasige Behandlungsabschnitte. Zu den einphasigen Behandlungsabschnitten gehören Kontaktaufnahme und Behandlungspause und je nach Ablauf auch Prävention und Betreuung/Pflege.

Akut- oder Rehabilitationsbehandlungen können oftmals in zwei Hauptphasen aufgeteilt werden: in eine diagnostische und in eine therapeutische Phase. Dies geschieht insbesondere dann, wenn Diagnostik und Therapie von verschiedenen Leistungserbringern oder zeitlich getrennt durchgeführt werden, z.B., wenn bei elektiven Eingriffen die Diagnostik ambulant erfolgt und nur die Operation stationär durchgeführt wird.

Ein einfacher Behandlungsverlauf kann nun z.B. folgendermassen dargestellt werden:

 
 

 ·--------·
 |Kontakt-|
 |aufnahme|                        ·-------·                  ·-------·
 ·--------·                        |Behand-|                  |       |
     |                             |lungs- |                  |       |
     |                             |pause  |                  |       |
     |                             ·-------·                  ·-------·  
     |                              ^     |                     ^   |
     |  ·----------·------------·   |     |   ·----·--------·   |   |   
     ·->|Primäre   |            |---·     ·-->|Dia-|        |---·   ·---> ...
        |Diagnostik|  Therapie  |             |gno-|Therapie|   
        |          |            |             |stik|        |   
        ·----------·------------·             ·----·--------·   

             Erstbehandlung                   Folgebehandlung

Abb. 4: Behandlungsverlauf (Beispiel)

 
 

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Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/auszuege-pcs-buch/Strukturierung-von-Behandlungsverlaeufen-9701.htm
( Letztmals generiert: 06.01.2012 )