Fischer: Hinweise zu PCS-Grundlagen.

Z I M   «DRGs und verwandte PCS» (Version 1.24) Kapitel C       März 2000
Letzte Änderung: 24.01.2005


C
Hinweise zu PCS-Grundlagen

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Kapitel C aus:
Diagnosis Related Groups (DRGs) und verwandte Patientenklassifikationssysteme
Kurzbeschreibungen und Beurteilung

      
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Inhaltsverzeichnis

 

 

C Hinweise zu PCS-Grundlagen 1

 

C.1 Patientenklassifikationssysteme 2

 

C.2 Begriffe 15

 

C.3 Zur PCS-Konstruktion 19

 

C.3.1 Basisdatensätze 20

 

C.3.2 Spezielle Klassifikationskriterien 26

 

C.3.3 Dimensionalität 29

 

C.3.4 Schweregrad 34

 

C.3.4.A Zustandsbezogener Schweregrad 38

 

C.3.4.B Therapiebezogener Schweregrad 45

 

C.3.5 Definition der Hauptdiagnose 49

 

C.4 PCS-Inhalt 60

 

C.4.1 Ökonomische Homogenität 61

 

C.5 PCS-Kennzahlen 68

 

C.5.1 Kostengewichte 69

 

C.5.2 Grenzwerte 86

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C

 

Hinweise zu PCS-Grundlagen

1

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C.1

 

Patientenklassifikationssysteme

2

-

PCS

Patienten­klassifi­kations­systeme unterteilen die Patienten­schaft bzw. deren Behand­lungen in:

  • in klinisch definierte Gruppen
  • mit ähnlichen Behand­lungs­kosten.

3

   

Aus der obigen Kurzdefinition geht hervor, dass mit dem Ansatz der Patientenklassifikation zwei ziemlich unter­schied­liche Sichten auf einen gemein­samen Nenner gebracht werden sollten.

4

 

Klinische Sicht

Auf der klinischen Seite möchte man – ausgehend von den Problemen und Behand­lungs­zielen bei der Behand­lung der einzelnen Patienten – ähnliche Fälle zusammenfassen. Es wird eine eine optimale Behand­lung angestrebt.

Eines der formalisierten Instrumente dazu sind die vom Behandlungsteam gemein­sam entwickelten Behand­lungs­pfade, welche auf einem Patienten­klassifi­kations­system basieren.

5

 

Ökonomische Sicht

Auf der ökonomischen Seite möchte man – ausgehend von den Kosten der Einzelfälle – Produktions- und Verkaufseinheiten bzw. Kostenträger und Tarifpositionen definieren. Es geht hier aus betrieblicher Sicht um die Frage einer je nach Unternehmensziel unter­schied­lich definierten Balance zwischen Ertrag und Kosten, aus überbetrieblicher und politischer Sicht um die Frage der Kostenbegrenzung.

Zu den dazu einsetzbaren Instrumenten gehören auf der Kostenseite die Kosten­träger­rechnung und auf der Ertragsseite Pauschalen und Gesamtbudget. [Tafel 1]

6

 

PCS als gemein­samer Nenner

Ein Patienten­klassifi­kations­system versucht, diese unter­schied­lichen Welten mit einem einheitlichen Begriffssystem zu verbinden, um so eine zwar schmale, aber dennoch gemein­same Verständnisbrücke aufzubauen. [Tafel 2]

7

 

Tafel 1:
Klinische und ökonomisch-politische Sicht

Tafel 1: Klinische und ökonomisch-politische Sicht

8

   

Quelle: Fischer [DRG-Systeme, 2000]: 25.

9

 

Tafel 2:
Patienten­klassifikations­system (PCS) als gemeinsamer Nenner

Tafel 2: Patienten­klassifikations­system (PCS) als gemeinsamer Nenner

10

   

Quelle: Fischer [DRG-Systeme, 2000]: 26.

11

 

PCS-Beurteilung

Bei der Beurteilung und bei der Anwendung von Patienten­klassifi­kations­systemen sind folgende Aspekte relevant:

  • PCS-Konstruktion.
  • PCS-Inhalt.
  • PCS-Kennzahlen: Kosten­gewichte, Verweildauern, etc.
  • PCS-Einbettung in Ver­gütungs­systeme.

12

   

Diese Studie befasst sich haupt­sächlich mit der PCS-Konstruktion und mit Grundzügen des PCS-Inhaltes. Dazu gehören insbesondere die Struktur und die Ent­wick­lung der An­zahl der Behand­lungs­fall­gruppen, die Schwere­grad­unter­tei­lungen und die Homogenität innerhalb der Gruppen.

13

1 Vgl. dazu den Strukturierungs­vorschlag in Fischer [DRGs im Vergleich, 1999]: 123-131.

   

Auf der Frage der PCS-Einbettung in Ver­gütungs­systemen wird an dieser Stelle kaum eingegangen. Sie ist kann teil­weise un­abhän­gig vom verwendeten Patienten­klassifi­kations­system angegangen werden.1

14

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C.2

 

Begriffe

15

-

Ebenen von Patienten­kate­gorien

In dieser Studie werden folgende Begriffe benutzt, um unter­schied­liche Ebenen von Patienten­kate­gorien zu benennen:

16

Tafel 3:
Bezeich­nungen von Patienten­kate­gorien auf unter­schied­lichen Ebenen

Begriff Erläuterung DRG-Begriff
Behand­lungs­fall­gruppen «Behand­lungs­fall­gruppen» sind Patienten­kate­gorien eines Patienten­klassifi­kations­systems in der detailliertesten Verfeinerungsform. DRGs
Basis­fall­gruppen «Basis­fall­gruppen» entstehen aus dem Zusammenzug der Behand­lungs­fall­gruppen ohne Unter­teilung nach Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen und/oder Alters­stufen. Adjacent DRGs, Base DRGs
Sammel­gruppen In jeder Haupt­kate­gorie gibt es einzelne Behand­lungs­fall­gruppen, in denen Fälle mit nicht ausgesonderten Diagnosen oder Prozeduren gesammelt werden. Die Bezeich­nungen dieser Gruppen beginnen mit «Andere/Übrige...». – Ein Beispiel für eine Sammel­gruppe ist HCFA-DRG 442: «Andere Opera­tionen bei Verletzungen mit wesent­licher Begleit­erkran­kung oder Komplikation». (Die englischen Bezeich­nungen beginnen mit «Other».)
Primär­gruppen «Primär­gruppen» sind jene Behand­lungs­fall­gruppen, welche entstehen, wenn alle Neben­dia­gnosen und alle Prozeduren aus dem Basisdatensatz entfernt werden und nur die Haupt­diagnose zur Gruppierung verwendet wird.
Haupt­kate­gorien Als «Haupt­kate­gorien» oder auch «diagnostische Haupt­kate­gorien» werden die Kategorien auf der ersten Gruppierungsebene eines Patienten­klassifi­kations­systems bezeichnet. Major Diagnostic Categories (MDCs)

17

Tafel 4:
Weitere PCS-Begriffe

Begriff Erläuterung DRG-Begriff
Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen Als «Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen», «wesent­liche Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen» oder auch «signifikante Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen» werden in Patienten­klassifi­kations­systemen jene Neben­dia­gnosen bezeichnet, die einen Einfluss auf die Zuord­nung zu einer Behand­lungs­fall­gruppe haben. Comorbidities or Complications (CCs)
Schwerwiegende Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen Als «schwer­wiegende Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen» werden in manchen Patienten­klassifi­kations­systemen jene Neben­dia­gnosen bezeichnet, welche einen Behand­lungs­fall in eine ressourcenintensivere Behand­lungs­fall­gruppe einteilen als die «wesent­lichen Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen». Major Comorbidities or Complications (MCCs)

Severe Comorbidities or Complications (SCCs)

Sehr schwer­wiegende Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen Als «sehr schwer­wiegende Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen» werden in manchen Patienten­klassifi­kations­systemen jene Neben­dia­gnosen bezeichnet, welche einen Behand­lungs­fall in eine ressourcenintensivere Behand­lungs­fall­gruppe einteilen als die «schwer­wiegende Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen». Catastrophic Comorbidities or Complications (CCCs)
CC-Stufe Als «CC-Stufen» werden in dieser Studie die Zusammen­fassungen der Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen nach Schwere­grad bzw. Ressourcenintensität bezeichnet.
  • «with CC»
  • «without CC»
  • «with Major CC» (AP-DRG)
  • CC Classes (RDRG)
CC-Kategorie «CC-Kategorien» sind benannte Zusammen­fassungen von «CC-Stufen».
  • «Split Indicator» (AR-DRG).
  • Letzte Unter­teilungs­ebene im LDF-System (letzter Buchstaben im LDF-Code).

18

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C.3

 

Zur PCS-Konstruktion

19

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C.3.1

 

Basisdatensätze

20

-

Minimaldatensatz

Um Behand­lungs­fälle mit einem Patienten­klassifi­kations­system Behand­lungs­fall­gruppen zuzuordnen, werden routinemässig gesammelte Daten automatisiert verarbeitet. Zu jedem Behand­lungs­fall wird dazu ein sogenannter «Minimaldatensatz» oder «Fallrekord» aufbereitet.

21

 

Europäischer MBDS

1981 wurde von der Europäischen Gemeinschaft ein Minimaldatensatz («Minimum Basic Data Set») für stationäre Behand­lungs­fälle vorgeschlagen. [Tafel 5]

22

   

In der Zwischenzeit erheben sehr viele europäische Länder von den Kranken­häusern fallbezogene Daten in dieser oder ähnlicher Form.

23

 

Tafel 5:
Europäischer Minimaldatensatz

  1. Krankenhausidentifikation.
  2. Patientennummer.
  3. Ge­schlecht.
  4. Alter bei Eintritt.
  5. Zivil­stand.
  6. Wohnsitz.
  7. Monat und Jahr der Aufnahme.
  8. Verweildauer (als Differenz zwischen Entlassungs- und Eintrittsdatum):
    1. Abteilungsbezogene Verweildauer.
    2. Verweildauer im Spital.
  9. Entlassungsstatus (nach Hause, gegen ärztlichen Rat, Tod, Verlegung in andere Abteilung, Überweisung in anderes Spital).
  10. Haupt­diagnose (wichtigste Diagnose, weswegen der Patient behandelt oder untersucht wurde, d. h. jene Entlassungsdiagnose, die den Spitalaufenthalt rechtfertigte und/oder am besten die eingesetzten Mittel erklärt).
  11. Andere Diagnosen.
  12. Chirurgische und geburtshilfliche Prozeduren.
  13. Andere wichtige Prozeduren.

24

   

Quelle: BMG-D [Diagnosenstatistik, 1992]: 201; mit Korrekturen gemäss Roger France [MBDS-EU, 1993]: 10 f.

25

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C.3.2

 

Spezielle Klassifikationskriterien

26

2 Im PMC-System wurden Behand­lungen, die vorzugsweise ambu­lant durchgeführt werden, auf der Liste der Behand­lungs­fall­gruppen speziell markiert.

3 Im APR-DRG-System wurde aus diesem Grund die DRG 6 bei Neurolyse des Karpeltunnels durch eine allgemeinere DRG ersetzt. – Im Vorschlag zum IAP-DRG-System, das vor allem auch in Europa zur Anwendung kommen soll, wurde diese DRG wieder aufgenommen.

-

Ambulante Behand­lung

Es gibt Systeme, die ambu­lante Behand­lungen (im Krankenhaus) se­pa­rat klassi­fizieren.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Liste der Kategorien für stationäre Behand­lungen genügend differenziert ist und auch zur Abbildung der ambu­lanten Behand­lungen verwendet werden könnte. Wenn ja, dann würde es genügen, bei ambu­lanten Behand­lungen allenfalls eine andere Liste von Kosten­gewichten zu benutzen. In diesem Fall könnte das Kriterium «ambu­lante Durchführung der Behand­lung» als Kriterium einer se­pa­raten Dimen­sion «Auf­ent­halts­art» betrachtet werden. Dies wäre eine elegante Lösung und würde das Patienten­klassifi­kations­system nicht unnötig aufblasen.

Nicht alle stationären Behand­lungen können ambu­lant durchgeführt werden. Diese Tatsache kann zur Kontrolle der Datenqualität verwendet werden. Im Verlaufe der Zeit verschiebt sich jedoch die Grenze zwischen ambu­lanten und stationären Behand­lungs­möglich­keiten.2 Damit werden manche Behand­lungs­fall­gruppen von Patienten­klassifi­kations­systemen für stationäre Patienten überflüssig.3 Wenn das Patienten­klassifi­kations­system un­abhän­gig von der Auf­ent­halts­art konstruiert wurde, wird es langlebiger.

27

 

Verlegung

In einzelnen Klassi­fi­kations­systemen wird z. T. die externe Verlegung als Kriterium zur Gruppenbestimmung verwendet. Dies sollte anders gelöst werden. Eine Verlegung kann anzeigen, dass die Behand­lung noch nicht abgeschlossen ist. Dies ist eine Frage der Definition der Behand­lungs­einheit.

Wenn die Definition der Behand­lungs­einheit (z. B. «Fall») Verlegungen nicht berücksichtigt, ist es möglich, eine Korrektur erst auf der Ebene des Kosten­gewichtes vorzunehmen. Bei Verlegungen oder auch bei deutlich unter­durch­schnitt­lichen Verweildauern kann es angepasst oder anders berechnet werden.

28

   

 

 

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C.3.3

 

Dimensionalität

29

4 Primäre Probleme rechtfertigen den Kranken­haus­aufenthalt. Sekundäre Probleme sind zusätzliche Probleme, die den Behand­lungs­aufwand erhöhen. – Vgl. Fischer [PCS, 1997]: 41.

5 Das Gesundungs­potenzial ist der bei optimaler Behand­lung erreichbare Gesundheitszustand. – Fischer [PCS, 1997]: 34.

6 Behand­lungs­ziele lassen sich beschreiben als angestrebte Veränderung des Patientenzustandes.

-

 

Grundsätzlich sind bei der Konstruktion von Patienten­klassifi­kations­systemen folgende wesent­liche Klassi­fi­kations­dimensionen zu beachten [Tafel 6]:

  • Patientenzustand:
    • Diagnose- und patienten­bezogener Schwere­grad:
      • Diagnostische Basis­fall­gruppe.
      • Schwere­grade aller Probleme oder Gesamt­schwere­grad.
      • Hauptproblem (Haupt­diagnose, zugehörige Primär­gruppe, Haupt­kate­gorie).
    • Sekundäre Probleme.4
    • Ressourcen des Patienten.
    • Alters­stufe.
  • Evtl. Gesundungs­potenzial.5
  • Behand­lungs­ziele.6
  • Behand­lung:
    • Behand­lungs­verfahren und Auf­wändig­keit
      • Prozedurale Basis­fall­gruppe.
      • Auf­wändig­keit (Mehrfach­leistungen, Lang­zeit­beatmung, IPS, Notfall­aufnahme, ...).
      • Behandlungsmodus («chirur­gisch», «medizi­nisch», . . .).
    • Auf­ent­halts­art («stationär», «kurzstationär», «teil­statio­när», «ambu­lant»).
    • Entlas­sungs­desti­nation («nach Hause», «Pflegeheim», «Akutkrankenhaus», . . .).
    • Zeitliche Einheiten (Behand­lungs­abschnitte und -phasen).
    • Behandlungssektor (Behand­lung im Akutkrankenhaus, Psychiatrie, Geriatrie, Rehabilitation, . . .). Beteiligte Berufsgruppen.
  • Behandlungsresultate:
    • Resultate zur Bestimmung von Ausreissern (Kosten, Verweildauern).
    • Qualität (Wiederaufnahme, Infektionen, . . .).

30

   

Weitere Dimen­sionen wie «Beherbergungsart» («allgemein», «halbprivat», «privat») oder «Lehre und Forschung» sind hier nicht aufgeführt, da sie nicht Teile eines Patienten­klassifi­kations­systems sein sollten, sondern Elemente des Vergütungsmodelles.

31

Tafel 6:
Klassifikationsdimensionen

Tafel 6: 
Klassifikationsdimensionen

32

   

Quelle: Fischer [DRG+Pflege, 2002]: 84.

 
   

Da viele der etablierten Patienten­klassifi­kations­systeme nach dem Vorbild der DRGs eine eindimensionale Struktur anstreben, sind einzelne dieser Dimen­sionen in eine hierarchische Struktur eingepasst worden; andere Dimen­sionen sind weggelassen worden.

33

   

 

 

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C.3.4

 

Schweregrad

34

-

 

Eine der grossen Herausforderungen, denen sich die Entwickler von Patienten­klassifi­kations­systemen immer wieder stellen, ist die Abbildung des Schwere­grades. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Klassi­fi­kations­merkmale wird der Schwere­grad so weit wie möglich von den Haupt- und Neben­dia­gnosen und von den codierten Prozeduren abgeleitet.

35

 

Kosten­intensität

Ziel von Patienten­klassifi­kations­systemen ist es meist, nicht die Schwere der Erkrankung an sich, sondern nur deren Auswirkungen auf die Kosten­intensität abzubilden. Diese korrelieren mit dem klinischen Schwere­grad in einem gewissen Ausmass. Somit hat der klinische Schwere­grad auch einen Einfluss auf eine Gruppenbildung nach ökonomischen Gesichts­punkten.

36

 

Grenzwerte

Da es in den be­kannten Patienten­klassifi­kations­systemen bisher nur in unbefriedigendem Masse gelungen ist, aufgrund der verfügbaren Merkmale die Ressourcenintensität gut abzubilden, wurden Grenzwerte von Kostenindikatoren definiert, ausserhalb welcher ein Behand­lungs­fall zu einem Sonderfall, zu einem sogenannten Ausreisser («outlier») wird. Während früher Grenzwerte haupt­sächlich aufgrund der Verweildauern definiert wurden, werden heute zunehmend auch Grenzwerte bezüglich der Kosten definiert.  
 

37

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C.3.4.A
 
Zustandsbezogener Schweregrad

38

-

 

Oft werden Schwere­grad und Multi­morbidität als Synonyme verwendet. Das ist aber nicht korrekt.

39

 

Multi­morbidität

Multi­morbidität bedeutet, dass ein Behand­lungs­fall mehre­re Krankheiten zugleich aufweist. Beschrieben werden können solche Fälle durch die Angabe aller Diagnosen. In DRG-Systemen werden die kosten­relevanten Neben­dia­gnosen in sogenannten CC-Listen aufgeführt («CC» steht für Comorbidity or Complication). Manche Basis-DRGs sind unterteilt in DRGs «mit CC» und DRGs «ohne CC». – Die so grob abgebildete Multi­morbidität ist aber nur ein Aspekt des Schwere­grades.

40

7 Gonella et al. [Disease Staging, 1984]; vgl. auch Fischer [PCS, 1997]: 231 ff.

 

Krank­heits­stadium

Der Fortschritt des Erkrankungsprozesses – das Krank­heits­stadium bezogen auf einzelne Körpersysteme bzw. Organe oder bezogen auf die Erkrankung des Patienten insgesamt – kann nur teil­weise von den Diagnosen abgeleitet werden. (Das Patienten­klassifi­kations­system «Disease Staging» hat sich dieser Aufgabe verschrieben und kann ein beachtenswertes Ergebnis vorweisen.7)

41

8 Vgl. zu dieser Thematik auch: Fischer [PCS, 1997]: 44 f.

   

Mit fortschreitendem Erkrankungsprozess ändern sich Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko, d. h. das Risiko zu sterben bzw. das Risiko von bleibenden gesundheitlichen Störungen. Diese Risiken können auch als «Schwere der Erkrankung» bezeichnet werden.8

42

9 Im ARDRG-System gibt es zwar viele Position von Alters­splits, aber im Vergleich zum ANDRG-System wurden viel weniger Behand­lungs­fall­gruppen nach Alter unterteilt. Vgl. Commonwealth of Australia [AR-DRG-Dev.4-Vol.1, 1998]: 7.

 

Alter

Des Öftern wird das Alter als Indikator für die Multi­morbidität und den Schwere­grad der Erkrankung verwendet. Es hat sich – z. B. bei den ameri­ka­nischen DRG-Systemen – gezeigt, dass das Alter zur Abgrenzung von pädiatrischen Fällen dienlich ist. Je differenzierter die DRG-Systeme jedoch ausgestaltet wurden, desto mehr konnte auf eine Unter­teilung bei Alter 65 verzichtet werden. Diese Beobachtung konnte bei der Ent­wick­lung sowohl der ameri­ka­nischen wie auch der australischen DRG-Systeme gemacht werden.9

43

10 Zu den ICD-9-Codes 764 («Verzögertes fetales Wachstum und Mangelernährung») und 765 («Affektionen durch verkürzte Schwangerschaft und n. n. bez. Geburts­unter­gewicht») kann in der 5. Stelle des Codes das Geburts­gewicht in 9 Stufen auf 250 g bis 500 g genau spezifiziert werden (bis max. 2500 g). – In der ICD-10 gibt es unter «P07» (nur) zwei Codes für niedriges Geburts­gewicht.

 

Geburts­gewicht

Bei Neu­gebo­renen wird in den DRG-Systemen das Geburts­gewicht nebst dem Alter in Tagen als Haupt­klassi­fika­tions­merk­mal verwendet (Ausnahme: HCFA-DRG). Das Geburts­gewicht kann mittels ICD-9-CM/3 codiert werden und muss deshalb – in den USA zumindest – nicht se­pa­rat erhoben werden.10

44

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C.3.4.B
 
Therapiebezogener Schweregrad

45

-

Entlas­sungs­desti­nation

Da die konventionelle Falldefinition die Entlas­sungs­desti­nation nicht berücksichtigt, wurde sie in manchen Systemen zur Präzisierung der Behand­lungs­inten­sität bei der Gruppendefinition verwendet. Wenn dies – eher selten – vorkommt, dann geschieht dies meistens aufgrund der Angabe: «externe Verlegung in ein anderes Krankenhaus».

46

11 ICD-9-CM/3-Codes zur temporären Tracheo­stomie: «31.1» und «96.70» bis «96.72».

12 Das Kosten­gewicht der HCFA-DRG 483 der Version 17.0 liegt z. B. 16-mal über dem durch­schnitt­lichen Fallkostengewicht. Das Kosten­gewicht der APDRG 483, Version 12.0 lag sogar 23-mal über dem durch­schnitt­lichen Fallkostengewicht.

 

Temporäre Tracheo­stomie und IPS

Eine temporäre Tracheo­stomie (d. h. Luftröhrenschnitt zur künstlichen Beatmung, z. B. bei komatösen Patienten) ist oft ein Indikator für eine aufwändige Behand­lung auf der Intensiv­pflege­station («IPS», englisch «ICU»). Eine temporäre Tracheo­stomie kann aber auch durchgeführt werden, wenn es von der Diagnose und der zugehörigen Behand­lungs­art erforderlich ist. (Diese Diagnosen betreffen haupt­sächlich den Gesichts-, Mund- und Halsbereich und sind weniger aufwändig.)

Da die temporäre Tracheo­stomie routinemässig mittels ICD-9-CM/3 codierbar ist, konnte sie zur Gruppendefinition verwendet werden.11 In DRG-Systemen wurde davon auch ausgiebig Gebrauch gemacht. Falls eine Tracheo­stomie ohne Diagnose im Gesichts-, Mund- und Halsbereich vorliegt, wird der Patient einer se­pa­raten DRG zugewiesen. Diese DRG – z. B. HCFA-DRG 483 – hat ein hohes Kosten­gewicht (und eine grosse Streuung).12

47

13 Duckett [Casemix-Funding-Australia, 1998]. – In West­austra­lien wird die Intensiv­pflege über ein se­pa­rates Budget auf historischer Basis abgegolten. In Queensland werden IPS-Charakteristiken zur Bestimmung des Kranken­haus­typs verwendet. In Victoria und in Tasmanien wird die Intensiv­pflege nicht gesondert berücksichtigt.

   

Andernorts, z. B. in Österreich und in einem der australischen Staaten (in Südaustralien)13 werden Intensivpflegetage getrennt klassiert und abgerechnet.

48

   

 

 

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C.3.5

 

Definition der Hauptdiagnose

49

-

Wahl der Haupt­diagnose

Patienten­klassifi­kations­systeme, welche – ent­spre­chend dem Vorbild der DRGs – auf der Deklaration genau einer Haupt­diagnose aufbauen, haben sich damit auseinanderzusetzen, welche der gestellten Diagnosen nun als Haupt­diagnose deklariert werden soll. Diese Aufgabe ist nicht immer ohne Probleme lösbar.

50

14 Nach ICD-9-CM [1995]: 5 ist der Hauptcode jener «ICD-9-CM-Code», der den Hauptgrund für die Behandlungsaufnahme definiert.

 

USA

In den USA wird diejenige Diagnose als Haupt­diagnose bezeichnet, die – nach dem Studium des Falles – als Grund für die Hospitalisation erklärt wird.14

51

15 Vgl. DIMDI [ICD-10/II, 1995]: 126.

 

WHO

Die Definition der Haupt­diagnose, welche die WHO für die ICD-10 formuliert hat, ist etwas differenzierter und entspricht nicht ganz der ameri­ka­nischen Kurzfassung:15

  • «Die Haupt­diagnose ist derjenige Zustand, der am Ende der Gesundheitsbetreuung als Diagnose feststeht und der Hauptanlass für die Behand­lung und Untersuchung des Patienten war.
  • Ist mehr als ein Zustand aufgeführt, ist derjenige auszuwählen, der den grössten Aufwand an Mitteln erforderte.
  • Erfolgte keine Diagnosestellung, dann ist das Hauptsymptom, der schwerwiegendste abnorme Befund oder die schwerwiegendste Gesund­heits­störung als Haupt­diagnose auszuwählen.»

52

GHM

Frankreich

Eine etwas andere Sicht zur Frage der Haupt­diagnose hat sich in Frankreich entwickelt:

53

 

Grundsatz

Im GHM-System gilt als Haupt­diagnose jene Diagnose, welche retrospektiv den wesent­lichen medizi­nischen und pflegerischen Aufwand mit sich gebracht hat.

54

16 Vgl. B.O. [GHM-6-Vol.1, 2000]: 19 f. – Dies ist ein Unterschied zur Situation in der Schweiz, wo der Kreuz-Code als Haupt­diagnose gesetzt werden muss.

17 Zum Beispiel wird «K93.1*» («Megakolon bei Chagas-Krankheit») in Haupt­kate­gorie «CMD 06» und die zugehörige Ätiologie «B57.3+» («Chagas-Krankheit (chronisch) mit Beteiligung des Ver­dauungs­systems») in «CMD 18» aufgeführt. – In den ICD-9-CM-basierten DRG-Systemen sei das von nicht so grosser Bedeutung, da dort Ätiologie- und Mani­festa­tions­codes in den meisten Fällen einer einzigen Haupt­kate­gorie zugeordnet werden könnten. Von dieser Annahme ging man jedenfalls bei der ersten DRG-Anpassung aus.

 

Kreuz-Stern-Codes

Mit der Einführung der ICD-10 ist es vermehrt möglich, Kreuz-Stern-Diagnosen zu verwenden. In solchen Fällen wird mit zwei Codes gearbeitet, d. h. mit einem «+»-Code für die Ätiologie und mit einem «*»-Code für die Manifestation. Der Stern-Code für die Manifestation der Krankheit muss als Haupt­diagnose eingesetzt werden.16 Das ist insofern von Wichtigkeit, da es im ICD-10 vermehrt Kreuz-Stern-Paare von Diagnosen gibt, die nicht zur gleichen Haupt­kate­gorie gehören.17

55

 

«Ver­bun­dene Diagnose»

Ab dem Jahr 2000 gibt es ein zusätzliches Feld, worin die mit der Haupt­diagnose «verbundene Diagnose» erhoben wird. Dies kann die zur Haupt-Kreuz-Diagnose gehörige Stern-Diagnose (Ätiologie) sein. Es kann auch die ursächliche Diagnose bei «Z»-Haupt­diagnosen sein (z. B. bei Palliativpflege).

56

18 B.O. [GHM-6-Vol.1, 2000]: 75 ff.

 

Kranken­haus­interne Verlegungen

Falls mehre­re Abteilungsdatensätze (RUM) vorhanden sind, d. h. falls krankenhausinterne Verlegungen stattgefunden haben, kommen folgende Regeln zur Anwendung:18

  • Phase 1: Alle Daten­sätze mit Opera­tionen werden markiert. Wenn Opera­tionen nur von einer einzigen Abteilung gemeldet worden sind, dann gilt die von dieser Abteilung gemeldete Haupt­diagnose als Haupt­diagnose des Falles. Gab es Opera­tionen in mehre­ren Abteilungen, dann werden alle anderen Abteilungsdatensätze ausgeschieden.
  • Phase 2: Abteilungsdatensätze mit einer Haupt­diagnose, die mit «Z» beginnt («Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen»), werden ausgeschieden, falls es auch Daten­sätze mit anderen Haupt­diagnosen gibt.
  • Phase 3: Wenn von keiner oder von mehre­ren Abteilungen Opera­tionen gemeldet worden sind, dann wird die Haupt­diagnose aus dem Abteilungs-Aufenthalt mit der längsten Teil-Verweildauer genommen.
  • Phase 4: Falls dabei zwei oder mehr Abteilungsmeldungen gleiche Verweildauern enthalten, dann gilt die Meldung jener Abteilung, in welcher zeitlich gesehen die letzte Behand­lung erfolgte.

57

   

Als «verbundene Diagnose» wird die Diagnose aus jenem Abteilungsdatensatz genommen, aus welchem die Haupt­diagnose stammt.

58

   

Wenn die Haupt­diagnose und die damit verbundene Diagnose bestimmt sind, werden alle übrigen nicht dokumentarischen Diagnosen (aller Abteilungsdatensätze) zu Neben­dia­gnosen erklärt. Wenn ein Diagnose- oder ein Prozeduren-Code in mehr als einem Abteilungsdatensatz erscheint, wird jeweils nur ein Eintrag weiterverarbeitet.

59

|^·<×>·v|

C.4

 

PCS-Inhalt

60

|^·<×>·v|

C.4.1

 

Ökonomische Homogenität

61

-

Homogenität

Bei der Bildung von Kategorien wird versucht, gleichartige Fälle in Gruppen zusammenzufassen. Die Homogenität der gebildeten Kategorien kann man unter zwei Gesichts­punkten messen:

  1. Sind die Abweichungen der abhängigen Variablen von den Gruppenmittelwerten insgesamt wesent­lich geringer geworden als die Abweichungen vom Mittel­wert der gesamten Stichprobe?
  2. Ist die Streuung der abhängigen Variablen in den einzelnen Gruppen klein?

62

19 Die Varianz ist ein statistisches Mass für die Streuung von Daten. Sie wird als Quadrat der Standard­abweichung berechnet. Die Varianz­reduktion ist ein Mass dafür, inwieweit es durch die Gruppenbildung gelungen ist, die Streuung der Daten zu erklären.

20 Der Varia­tions­koeffi­zient berechnet sich als Standard­abweichung dividiert durch den arithmetischen Mittel­wert und ist ein Mass für die Streuung innerhalb einer Gruppe.

   

Zur Beantwortung der ersten Frage wird oft die Varianz­reduktion verwendet.19 Zur Beantwortung der zweiten Fragen kann für jede Gruppe der Varia­tions­koeffi­zient berechnet werden.20

63

21 In Kurtz [Statistics, 1983]: 272 wird eine Korrelation zwischen 0 % und 24 % als niedrig, zwischen 25 % und 49 % als mässig, zwischen 50 % und 74 % als hoch und zwischen 75 % und 100 % als sehr hoch bezeichnet. (Es ist zu beachten, dass diese Aussagen aus einem Buch über Statistiken in den Sozialwissenschaften stammen; in anderen Bereichen würde diese Einteilung weniger grosszügig ausfallen.) Vgl. zur Thematik der noch akzeptablen Streuungen auch die Überlegungen zum Varia­tions­koeffi­zien­ten in Fischer [PCS, 1997]: 427 f und Sanderson [DRGs in Europe, 1993]: 54.

 

Varianz­reduktion

Zu Beginn der Ent­wick­lung von Patienten­klassifi­kations­systemen war man froh, wenn man Varianzreduktionen bezüglich der Verweildauern von 20 % oder «sogar» 30 % erreichte. Heute berechnet man die Varianz­reduktion auch bezüglich der fakturierten Beträge (nur in den USA) und bezüglich der Kosten. Mit den bis heute weiterentwickelten, verfeinerten DRG-Systemen werden Varianzreduktionen von teil­weise bis etwa 50 % erreicht. Aber auch solche Werte können aus statistischer Sicht noch nicht als gut, höchstens als mässig bezeichnet werden.21 Dass dem so ist, wird jedem sofort klar, der sich die Mühe nimmt, die Histogramme und/oder Boxplots von Gruppen, die eine Varianz­reduktion in dieser Grössenordnung aufweisen, einander gegenüberzustellen.

64

22 RAR = «Reduction of Absolute Residuals». Vgl. Håkansson / Gavelin [Sweden, 1999]: 182 f. An dieser Stelle führt Håkansson ein Beispiel des grossen Krankenhauses Huddinge in Stockholm aus dem Jahre 1995 an, in welchem sich bei den nach AP-DRG gruppierten und 5 %-ge­trimmten Daten eine Varianz­reduktion bezüglich der Kosten von 66 % ergab. Die Reduktion der absoluten Abweichungen betrug aber nur 38 %. (Chirurgische Fälle: 77 % bzw. 48 %; medizi­nische Fälle: 31 % bzw. 21 %.)

 

Andere Masse?

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Varianz­reduktion eine geeignete Grösse ist, um die Homogenität eines Patienten­klassifi­kations­systems zu beurteilen, denn infolge der rechtssteilen Verteilung können sich irreführende Werte ergeben. Es gibt u. a. den Ansatz, zusätzlich zur Reduktion der Varianz auch die Reduktion der absoluten Abweichungen zu berechnen.22

65

 

Varia­tions­koeffi­zien­ten

Immer wieder muss festgestellt werden, dass beim Vergleich von Behand­lungs­fällen, die ein und derselben Patientengruppe zugeteilt worden sind, Kosten und Verweildauern recht stark variieren.

66

   

Varia­tions­koeffi­zien­ten, die unterhalb von 1.0 liegen, gelten in PCS-Kreisen noch heute als akzeptabel. Ein Varia­tions­koeffi­zient von 1.0 (bzw. 100 %) bedeutet aber, dass – bei Annahme des idealen Falles: beim Vorhandensein einer Normalverteilung – ca. 2/3 der Fälle Werte von Verweildauern bzw. Kosten zwischen 0 (Null) und dem 2-fachen Wert des Mittel­wertes liegen. Die übrigen Fälle haben er­war­tungs­gemäss Werte, die ausserhalb dieses Bandes liegen. In vielen Behand­lungs­fall­gruppen aller heutigen Patienten­klassifi­kations­systeme sind die jährlich neu berechenbaren Varia­tions­koeffi­zien­ten höher als 1.

67

|^·<×>·v|

C.5

 

PCS-Kennzahlen

68

|^·<×>·v|

C.5.1

 

Kostengewichte

69

-

Relative Soll-Kosten

Kosten­gewichte widerspiegeln die Kosten der Behand­lung. Sie werden gewöhnlich als relative (Punkte-) Werte angegeben. Kosten­gewichte heissen in den DRG-Systemen «cost weights», im österreichischen System «LDF-Punkte» und im bisherigen deutschen System der Fall­pauschalen und Sonder­entgelte «Bewertungsrelationen».

70

 

Verwendung

Kosten­gewichte können benutzt werden:

  • Zur Berechnung der Vergütungen in Tarifsystemen.
  • Zur Aufteilung von Globalbudgets innerhalb einer Region oder auch innerhalb eines Krankenhauses.
  • Zum Leistungsausweis.
  • In Verbindung mit Kostendaten zur Wirtschaft­lich­keits­beurtei­lung. (Den Kosten­gewichten, die Soll-Kosten widerspiegeln, werden die Ist-Kosten aus der Kosten­rechnung gegenübergestellt.)

71

 

Zusammenhang von Kosten­gewichten und Patienten­klassifi­kations­systemen

Bei der Benutzung von Patienten­klassifi­kations­systemen wird gewöhnlich zu jeder Behand­lungs­fall­gruppe und/oder zu jedem Behand­lungs­fall ein Kosten­gewicht ermittelt. Die Zuord­nung von Behand­lungs­fall­gruppen und Kosten­gewichten muss nicht eindeutig sein. Insbesondere können für ein und dieselbe Behand­lungs­fall­gruppe verschiedene Kosten­gewichte für unter­schied­liche regionale Einheiten oder für unter­schied­liche Tarifverträge festgelegt werden. Es ist wichtig zu wissen, dass Kosten­gewichte nicht untrennbar zu bestimmten Patienten­klassifi­kations­systemen gehören.

72

 

Kosten­gewicht­berechnung

Kosten­gewichte können auf sehr unter­schied­liche Weisen berechnet werden:

  • Aufgrund der Vorkalkulation von Behand­lungs­pfaden (vgl. z. B. die Behand­lungs­pfade im PMC-System und davon abgeleitet das Fallkosten-Modell des Kantonsspitals Aarau).
  • Aufgrund von – mehr oder weniger detaillierten – Nachkalkulationen in Modellkrankenhäusern (z. B. deutsches Kalkulationsverfahren).
  • Aufgrund von Durchschnittsbeträgen gemäss Einzelleistungsabrechnungen einer grossen An­zahl von beteiligten Kranken­häusern (ameri­ka­nisches Verfahren).
  • Als Anpassung der ameri­ka­nischen Kosten­gewichte aufgrund von Kosten­stellen­rechnungen lokaler Modellkrankenhäuser. Insbesondere müssen dabei die ameri­ka­nischen Kostenberechnungen um die Arztkosten ergänzt werden, denn die Fall­pauschalen decken in den USA nur die Kranken­haus­kosten ab; die Beleg­ärzte werden se­pa­rat entschädigt. (Solche Berechnungen wurden u. a. in Portugal sowie in der Schweiz für Kranken­häuser der Kantone Zürich und Waadt gemacht. In der Schweiz überzeugten die Resultate nicht.)
  • Aufgrund der durch­schnitt­lichen Verweildauern. (Auf diese Weise wurden die Kosten­gewichte für die ersten DRGs berechnet. Auch die englischen HRGs wurden bis vor kurzer Zeit noch mit Kosten­gewichten dieser Art gewichtet.)

73

   

Die Kosten­gewichte werden gewöhnlich so festgelegt, dass das Kosten­gewicht von 1.0 den nationalen Durchschnittsfallkosten entspricht.

74

 

Tafel 7:
Kosten­gewicht

Kosten­gewicht von DRGx = Durchschnittliche Fallkosten aller Behand­lungs­fälle in DRGx
-------------------------------------
Durchschnittliche Fallkosten aller Behand­lungs­fälle

75

23 Marazzi/Ruffieux [AQTM, 1998].

AP

Gammaverteilung (APDRG-Schweiz)

Bei Kostengewichtberechnungen können Ausreisser die Mittel­werte z. T. stark verfälschen. Dies ist insbesondere bei kleineren Gruppengrössen der Fall. Bei den Kostengewichtberechungen der Gruppe «APDRG-Schweiz» wurde deshalb auf eine robuste Methode zurückgegriffen, die darüber hinaus mit einer Gamma-Verteilung anstelle der üblichen Lognormal- (oder gar Normal-) Verteilung arbeitet. Dies entspricht den vorgefundenen Verteilung von Kosten und Verweildauern von Behand­lungs­fällen besser.23 (Vgl. Anhang I.3.)

76

24 Diese Unter­schei­dung wurde auf den 1.1.2000 aufgehoben. (Vgl. DKG.Aktuell 2/2000.)

-

Inkl. Arztkosten?

Bei Kostengewichtvergleichen ist besonders zu beachten, welche Kosten gewichtet wurden. In den USA werden gewöhnlich nur die Kranken­haus­kosten bzw. die ent­spre­chenden Fak­tura­beträ­ge gewichtet. Arztkosten sind darin nicht enthalten, da diese infolge des Beleg­arzt­systems üblicherweise noch nicht über Fall­pauschalen abgerechnet werden. In Deutschland wurden bis 1999 für belegärztliche und hauptärztliche Behand­lungen getrennte Kosten­gewichte kalkuliert.24

77

 

Übernahme von ausländischen Kosten­gewichten?

Die Kosten­gewichte können infolge unter­schied­licher Behandlungspraxis und unter­schied­licher Kostensätze der Leistungsstellen nicht aus dem Ausland übernommen werden, sondern sind neu zu berechnen.

78

25 Vgl. Fischer [Fallgewichtung, 1997]; Fischer [Cost Weight Proportions, 1997].

   

Es hat sich in verschiedenen Ländern und Untersuchungen gezeigt, dass es problematisch ist, die ameri­ka­nischen Kosten­gewichte zu übernehmen. Es ist darauf hinzuweisen, dass allein schon der Vergleich von Kostengewichtverhältnissen vergleichbarer Patientengruppen zwischen den ameri­ka­nischen DRG-Systemen mehr oder weniger grosse Differenzen zu Tage fördert.25

79

26 Vgl. Laimböck [LKF, 1998]: 267.

 

Unkorrekt festgelegte Kosten­gewichte

Unkorrekt festgelegte Kosten­gewichte haben die fatale Folge von unerwünschten Anreizen. Zum Beispiel wurden in Österreich zu hohe Kosten­gewichte für gewisse stationäre Behand­lungen in Zusammenhang mit der Vermehrung der Fallzahlen um 2.5 % im Jahr 1996 gebracht. Man vermutete eine Umlagerung aus dem ambu­lanten in den stationären Bereich.26 (Natürlich könnte es auch andere Gründe für diese Zunahme geben, z. B. Fallvermehrung durch Aufteilung von Fällen, welche infolge schlechter Definition der abgegoltenen Behand­lungs­einheit möglich wurde.) Wichtig ist die Erkenntnis: Nach welchen Regeln der Übergang zwischen stationärer und ambu­lanter Behand­lung festgelegt wird, hat Einfluss auf die Höhe der Kosten­gewichte.

80

 

Casemix und Casemix-Index

Das Kosten­gewicht einer Behand­lungs­fall­gruppe ist ein Mass für die durch­schnitt­liche Auf­wändig­keit der Behand­lung. Man kann nun damit alle Behand­lungs­fälle einer Periode gewichten und summieren. Dies können alle Behand­lungs­fälle eines Krankenhauses, einer Region oder eines Landes sein. Das Resultat wird «Casemix» genannt.

81

 

Tafel 8:
Casemix

Casemix = Σ der Kosten­gewichte
aller Behand­lungs­fälle

82

   

Um einen Hinweis auf die durch­schnitt­liche Auf­wändig­keit der Fälle zu erhalten, kann der Durchschnitt dieser Summe berechnet werden: Dieses durch­schnitt­liche Kosten­gewicht pro Behand­lungs­fall wird Casemix-Index genannt.

83

 

Tafel 9:
Casemix-Index

Casemix-Index = Σ der Kosten­gewichte
aller Behand­lungs­fälle
-------------------------------------
An­zahl Behand­lungs­fälle
 

84

   

Der Casemix-Index ist ein Indikator für die durch­schnitt­liche Ressourcen-Intensität der behandelten Fälle.

85

   

 

 

|^·<×>·v|

C.5.2

 

Grenzwerte

86

-

Ausreisser

Grenzwerte («trimpoints») wurden festgelegt, weil es Behand­lungen gibt, die zwar aufgrund der Kenntnis von Diagnosen und Prozeduren einer bestimmten Behand­lungs­fall­gruppe zugeordnet worden sind, die jedoch viel mehr Kosten verursachen und/oder viel länger hospitalisiert sind, als für die zugeordnete Behand­lungs­fall­gruppe erwartet wird. Das sind sogenannte «Ausreisser» («outlier»). Solche Abweichungen können einerseits infolge eines unwirtschaftlichen Vorgehens der Leistungserbringer zustande kommen. Andererseits sind sie jedoch auch Folge von nicht berücksichtigten Patienten- und/oder Behandlungsmerkmalen und weisen – bei häufigem Auftreten – auf die Inhomogenität der ent­spre­chenden Patientengruppen hin. Um solche Fälle nicht mit ungerechtfertigt niedrigen Vergütungen abzugelten, wurden in den meisten Patienten­klassifi­kations­systemen Grenzwerte definiert, innerhalb welcher die Behand­lungs­fälle er­war­tungs­gemäss liegen. Behand­lungs­fälle, die ausserhalb der Grenzwerte liegen, werden vergütungsmässig gesondert behandelt.

87

   

Es macht Sinn, nicht nur obere, sondern auch untere Grenz­verweil­dauern festzulegen. Dies ermöglicht eine vergütungstechnisch besser ausgestaltbare Abgrenzung zu den teil­statio­när und ambu­lant behandelten Patienten.

88

 

Grenzwerte als PCS-Element

Bei den Grenzwerten handelt es sich – wie bei den Kosten­gewichten – nicht um Kernelemente eines Patienten­klassifi­kations­systems, sondern um Elemente, die se­pa­rat bestimmbar sind.

89

DRG

 

Die Grenzwerte für DRGs werden üblicherweise mittels eines statistischen Verfahrens bestimmt. Welche Formel für ein DRG-System verwendet wird, hängt von der Herkunft der Daten bzw. von den Auftraggebern ab. Ziel ist es gewöhnlich, die Ausreisser auf einen bestimmten Anteil festzulegen, z. B. auf 5 % aller Fälle.

90

 

Mittel­wert + m × Standard­abweichung

In einer einfachen Variante wird der Grenzwert beim Mittel­wert zuzüglich 2 oder 3 Standard­abweichungen festgelegt. Bei dieser Berechnungsweise werden die Messwerte meist loga­rith­mi­siert.

91

27 Gemäss persönlicher E-Post von Th. Mansky, 3M, vom 12.6.1998.

   

Ein etwas weitergehender Vorschlag des Grouperherstellers 3M zu dieser Methode ist eine Berechnung in zwei Durchgängen: Im ersten Durchgang werden die Extrem-Lang­lieger oberhalb der dreifachen Standard­abweichung der loga­rith­mi­sierten Verweildauern aus der Stichprobe entfernt. Anschliessend werden die Grenzwerte bei der 1.96-fachen Standard­abweichung der loga­rith­mi­sierten Verweildauern der verbleibenden Fälle bzw. bei minimal 17 Tagen festgelegt. Auf diese Weise ergeben sich im statistischen Mittel ungefähr die angestrebten 5 % Ausreisser.27

92

28 Vgl. Bender et al. [L3H3, 1995].

 

L3/H3-Verfahren

In Australien wurde auch das sogenannte «L3/H3»-Verfahren verwendet.28 Dabei werden die Grenzwerte un­abhän­gig von der Streuung festgelegt: Der obere Grenzwert liegt beim dreifachen Wert der durch­schnitt­lichen Verweildauer, der untere Grenzwert bei einem Drittel der durch­schnitt­lichen Verweildauer.

93

 

Q3 + k × IQR

Eine weitere Methode zur Bestimmung des oberen Grenzwertes ist die Festlegung beim 3. Quartil (Q3) zuzüglich des k-fachen Quartilsabstandes (IQR). Oftmals wird k auf 1.5 gesetzt. Analog dazu kann der untere Grenzwert als Q1 – k × IQR festgelegt werden, wobei k in diesem Fall dann gewöhnlich deutlich unter 1 liegt, z. B. bei 0.1.

94

HRG

Grenzwert­festlegung

Zur Bestimmung der HRG-Ausreisser bezüglich der Verweildauern wurde der Quartilsabstand verwendet. Der obere Grenzwerte wurde definiert als:

95

   

Q3   +   1.5 x ( Q3 - Q1 )

96

 

«Getrimmte» und «gekappte» Daten

In neueren HRG-Statistiken werden nicht nur statistische Kennzahlen für die «ge­trimmten» Daten ausgewiesen, sondern auch für die «gekappten» Daten. Bei den «ge­trimmten» Daten wurden alle Ausreisser weggelassen. Bei den «gekappten» Daten wurden die Ist-Verweildauern der Ausreisser durch die Grenz­verweil­dauern ersetzt.

97

   

 

 

 

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