Fischer: Einfluss von Fähigkeitseinschränkungen auf die erwartete HRG-Verweildauer.
Zusammenfassung einer Studie der ehemaligen __href__(NHSIA,NHS Information Authority) aus dem Jahr 2004.

Z I M - Notiz DRG+Pflege       Aug. 2006


Einfluss von Fähigkeitseinschränkungen
auf die erwartete HRG-Verweildauer

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Zusammenfassung einer Studie der ehemaligen NHS Information Authority aus dem Jahr 2004

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1 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004].

2 Vgl. Garms/Gilgen [RAI 2.0, 2000].

Zusammen­fassung

In einer englischen Pilotstudie1 mit Notfallpatienten ausgewählter Diagnosen wurde festgestellt, dass ein hoher motorischer Eintritts-ADL-Index die Spitalaufenthalte um durch­schnitt­lich ca. 4 Tage gegenüber der erwarteten An­zahl Tage je HRG (= englische DRG) erhöht. Der ADL-Index wurde aus den vier ADL-Variablen «Fortbewegung», «Essen», «Toilettenbenutzung» und «Körperpflege» gebildet, die den InterRAI-MDS2 entnommenen wurden. Bezüglich eines kognitiven Indexes – bestehend aus den Variablen «Essen», «Erinnerungsfähigkeit», «kognitive Fähigkeiten», «sich verständlich machen» – wurden keine signifikanten Veränderungen der erwarteten Aufenthaltsdauer je HRG gefunden.

3 Das neuere IRDRG-System ist ebenfalls primär Prozeduren-basiert, d. h.: Hier wird die Hauptprozedur (und erst an zweiter Stelle die Haupt­diagnose) zur Bestimmung der DRG-Haupt­kate­gorie verwendet.

Klassi­fi­kations­systeme
HRG
Healthcare Resource Groups

In Grossbritannien wird bereits seit vielen Jahren ein selbst entwickeltes DRG-System namens «Healthcare Resource Groups» (HRG) eingesetzt. (Es ist stärker Prozeduren-basiert als die etablierten DRG-Systeme.3)

4 Das ADL-Konzept wird auf Katz et al. [ADL-Index, 1963] zurückgeführt.

5 «ADL Self Performance Hierarchy». – Der dazu verwendete Algorithmus wurde in der Studie nicht näher beschrieben.

ADLs
Activities of Daily Living

Um den Einfluss von Pflegeproblemen auf den Spitalaufenthalt zu bestimmen, wurden ausgewählte ADLs4 verwendet. Jede ADL wurde in dieser Studie auf einer Skala mit Werten zwischen 0 und 6 eingestuft. Die Einstufungen der Messungen zu: «Fortbewegung», «Essen», «Toilettenbenutzung» und «Körperpflege» wurden in einer ordinalen Skala namens «ADL-Selbstpflege-Hierarchie»5 zu­sammen­gefasst. Sie umfasst ebenfalls die Stufen 0 bis 6. Diese sind zu­sammen­gefasst zu 0 = «niedrig», 1 – 3 = «mittel», 4 – 6 = «hoch».

Daten
1942 Notfallpatienten ausgewählter Diagnosen

Die Stichprobe umfasst 1942 Fälle: alle Notfallpatienten von drei Allgemeinspitälern mit einer von sechs ausgewählten Eintrittsdiagnosegruppen (Schlaganfall, Oberschenkelhalsfraktur, Herzinfarkt, akute Atemwegsinfektion, chronischer Verschluss der Atemwege, Sturz). Zu 1685 Behand­lungs­fällen waren HRG-Angaben vorhanden.

6 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 20.

Resultate
Motorische Fähigkeits­einschrän­kungen
–> längere Aufenthaltsdauern

Die Aus­wer­tungen zeigen, dass die Aufenthaltsdauer bei grossen motorischen Einschränkungen (ADL-Index = 4 – 6) um durch­schnitt­lich 5.3 Tage erhöht ist (1104 Patienten).6 [Tafel 1, linke Hälfte]

7 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 21.

 

Wenn nur die Patienten betrachtet werden, die nach Hause entlassen wurden, liegt die durch­schnitt­liche Aufenthaltsdauer noch 4.3 Tage höher als gemäss der HRG-Kategorisierung erwartet worden wäre (658 Patienten von insgesamt 1151 nach Hause entlassenen Patienten).7

8 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 19–20.

 

Die stetige Zunahme der Aufenthaltsdauern ist nicht mehr ersichtlich, wenn anstelle des zu­sammen­gefassten ADL-Indexes eine Aus­wer­tung je ADL-Indexwert (0 – 6) gemacht wird.8

9 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 22.

Getrimmte Daten

Wenn alle jene Lang­lieger ausgeschlossen werden, die länger behandelt wurden als gemäss oberem HRG-Grenzwert maximal erwartet wird, dann wird die Spannweite der zusätzlichen Pflegetage etwas kleiner und die Konfidenz­intervalle werden ein wenig präziser.9 [Tafel 2, linke Hälfte]

 

Es fällt auf, dass alle Patienten länger behandelt wurden als gemäss den HRG-Aufenthaltsdauern im Mittel erwartet wurde. (Alle Differenzen liegen über Null.) Das bedeutet, dass die analysierte Stichprobe jene Stichprobe nicht gut repräsentiert, welche zur Bestimmung der HRG-Kennzahlen verwendet wurde, und dass nach einem Kriterium gesucht werden könnte, welches den Unterschied beschreibt.

10 Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 25–26.

Aus­wer­tungen nach Eintrittsdiagnosegruppen

Einzelauswertungen von den sechs Gruppen von Eintrittsdiagnosen zeigen unter­schied­lich deutliche Resultate. Es ist durchwegs eine Zunahme der durch­schnitt­lichen Aufenthaltsdauern in Abhän­gig­keit der zu­sammen­gefassten ADL-Indices zu erkennen. Infolge der kleinen Teilstichproben sind jedoch die Konfidenz­intervalle gewachsen und überschneiden sich meist erheblich.10

Tafel 1:
Veränderung der Aufenthaltsdauern in Abhän­gig­keit der motorischen und der kognitiven Fähigkeits­einschrän­kungen gegenüber den erwarteten HRG-Aufenthaltsdauern (unge­trimmte Daten)

Kategorie Motorisch
An­zahl

ø Differenz zu HRG
in Tagen

95 % Konfidenz-
intervall
Kognitiv
An­zahl
 
ø Differenz zu HRG
in Tagen
 
95 % Konfidenz-
intervall
Niedrig (0) 197 -0.5 -1.6 – 0.5 1153 3.1 2.3 – 2.9
Mittel (1–3) 372 1.6 0.2 – 3.0 331 6.4 4.3 – 8.5
Hoch (4–6) 1104 5.3 4.3 – 6.2 93 2.6 -0.5 – 5.6
Summe 1673     1577    

Tafel 2:
Veränderung der Aufenthaltsdauern in Abhän­gig­keit der motorischen und der kognitiven Fähigkeits­einschrän­kungen gegenüber den erwarteten HRG-Aufenthaltsdauern (ge­trimmte Daten)

Kategorie Motorisch
An­zahl

ø Differenz zu HRG
in Tagen

95 % Konfidenz-
intervall
Kognitiv
An­zahl
 
ø Differenz zu HRG
in Tagen
 
95 % Konfidenz-
intervall
Niedrig (0) 181 0.7 0.0 – 1.3 985 2.6 2.2 – 3.1
Mittel (1–3) 326 1.5 0.8 – 2.2 261 4.4 3.2 – 5.6
Hoch (4–6) 897 4.0 3.4 – 4.6 77 2.8 0.8 – 4.8
Summe 1404     1323    

11 Diese Tendenz ist sogar bei manchen Aus­wer­tungen nach Eintrittsdiagnosegruppen zu beobachten. – Bobby [HRG-ADL-LOS, 2004]: 21–22 und 27–28.

Kognitive Fähigkeits­einschrän­kungen

Die Resultate der Analyse nach kognitiven Fähigkeits­einschrän­kungen zeigen zwar auch eine tendenzielle Zunahme der Aufenthaltsdauern, aber nur bis zu einer mittleren Einschränkung. Bei grossen kognitiven Einschränkungen streuen die Aufenthaltsdauern sehr stark.11 Das bedeutet, dass sie von anderen Merkmalen mehr beeinflusst werden als von der kognitiven Einschränkung. [Tafeln 1 und 2, rechte Hälfte]

Kommentar
Einfluss von Pflegevariablen

Die vorliegende Studie zeigt, dass es sich lohnt, den Einfluss von pflegerischen Kriterien auf die Aufenthaltsdauern zu untersuchen. Wenn Kostendaten vorliegen, sollten die gleichen Analysen auch bezüglich der Kosten vorgenommen werden.

12 Vgl. Breiman et al. [CART, 1984].

13 Fischer et al. [TAR und Reha-PCS, 2006].

Methodenwahl

Im Hinblick auf die Resultate sollte nicht nur nach monoton steigenden Funktionen gesucht werden, nur weil viele in der Pflege verwendete Skalen ordinal sind. Durch den Einsatz von Methoden wie «Classification and Regression Trees» (CART)12 könnten auch andere Zusammenhänge gefunden werden. Es könnte z. B. überprüft werden, ob eine Gruppierung nach kognitiven Einschränkungen erst nach der Aufteilung gemäss motorischen Einschränkungen zu einer weiteren Verbesserung führt. Überhaupt wäre es interessant, den Einfluss von verschiedenen Arten der Kom­bina­tion von motorischen und kognitiven Fähigkeiten zu untersuchen, u. a. auch in der Form wie es in der TAR-Studie13 gemacht wurde. Dazu müsste – angesichts der Unterschiedlichkeit der Eintrittsdiagnosen – allerdings eine grössere Stichprobe vorliegen.

 

 

 

Literaturverzeichnis

Bobby
HRG-ADL-LOS
2004
Bobby J. Pilot Study on Physical and Cognitive Function Measures as a Means of Improving HRG Explanation. Final Report. Winchester (NHS Information Authority) 2004: 34 S. Internet: http:// www.icservices.nhs.uk / casemix / pages / downloads / sub9 / CDDFinalReport.pdf.
Breiman et al.
CART
1984
Breiman L, Friedman J, Olshen R, Stone C. Classification and Regression Trees. Belmont (Wadsworth) 1984.
Fischer et al.
TAR und Reha-PCS
2006
Fischer W, Blanco J, Mäder M, Zangger P, Conti FM, et al.. Das TAR-System und andere Patientenklassifikationssysteme für die Rehabilitation. TAR-Forschungsbericht und Kurzbeschrieb von Systemen aus Deutschland, Frankreich, Australien und den USA. Wolfertswil (ZIM) 2006: 89 S. Info: http:// www.fischer-zim.ch / studien / TAR-RehaPCS-0607-Info.htm.
Garms/Gilgen
RAI 2.0
2000
Garms-Homolová V, Gilgen R. RAI 2.0 – Resident Assessment Instrument. Beurteilung, Dokumentation und Pflegeplanung in der Langzeitpflege und geritrischen Rehabilitation. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Bern Göttingen Toronto Seattle (Huber) 2000: 289 S.
Katz et al.
ADL-Index
1963
Katz S, Ford AB, Chinn AB et al. Studies of Illness in the Age: the Index of ADL. A Standardized Measure of Biological and Psychosocial function. In: Journal of the American Medical Association 1963(185): 914–919.

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