Fischer: Teamorientierte Begriffssysteme.

Z I M   «Pflegediagnosen» (2. Auflage) Kapitel 4.2 1999
Letzte Ergänzung: Dez. 2001


4.2
Teamorientierte Begriffssysteme

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Seiten 35-38 aus:

Pflegediagnosen in Gesundheitsökonomie und Gesundheitsstatistik
978-3-905764-00-8

      
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Querverweise
»   Funktionaler Selbständigkeitsindex (FIM) und FAM
»   ICD-10 statt NANDA ?
»   DRGs und Pflege
»   Leistungserfassung in der Pflege


Eine zweite Frage zur Konstruktion von Begriffssystemen beschäftigt mich ebenfalls sehr: Eine Behandlung wird im Idealfall vom ganzen Behandlungsteam in enger Zusammenarbeit mit dem Patienten geplant und durchgeführt. Daran sind oft auch mehrere Institutionen beteiligt: Hausarzt, Gemeindekrankenpflege, Therapeuten, Spital, Pflegeheim, usw.

Wenn wir den Pflegeprozess als Teil des Behandlungsprozesses betrachten, sehen wir, dass insbesondere bei der Problembeurteilung (Diagnose), bei der Zielsetzung und bei der Evaluation des Behandlungsergebnisses die interdisziplinär zusammengearbeit wird.

Begriffssysteme, welche von allen Beteiligten angewendet werden können, wären zur einfacheren Verständigung überaus hilfreich. Was müssten solche Begriffssysteme können? Sie sollten Ursachen von Krankheiten, Krankheiten, Krankheitsfolgen, Ziele und Ergebnisse beschreiben können. Es müssten also vergangene, aktuelle, angestrebte und zukünftige Zustände beschrieben werden können. Skalen würden es erlauben, Verläufe abzubilden. Idealerweise bestehen solche Begriffssysteme aus neutralen Begriffen und zugehörigen Ausprägungen.

Abb. 25:
Der Pflegeprozess im interdisziplinären Kontext
Abb.: Der Pflegeprozess im interdisziplinären Kontext

Quelle: Nach einem Schema von Christoph Abderhalden, WE'G

 
 
Beispiel: ICF
(ehemals ICIDH-2)
Ein Modell für ein solches interdisziplinäres Begriffssystem könnte die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) sein,1 deren erste Version 1980 von der WHO präsentiert wurde. Die ICF hiess ursprünglich ICIDH, d. h.: "Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen".
In der neuen Fassung enthält sie die Hauptklassifikationsdimensionen "Körperfunktionen- und -strukturen" und "Aktivität und Partizipation". Zusammen mit der weiteren Dimension "Kontextfaktoren" ergeben sich insgesamt fünf Codierungsdimensionen:

1 ICIDH (WHO, 1995); http:// www.who.int / classification / icf /; deutsche Vorversion unter: http:// www.dimdi.de / de / klassi / icf /.
 
 
Abb. 26:
Codierungsdimensionen der ICF
  • Körperstrukturen
  • und deren Schädigungen
  • Körperfunktionen
  • und deren Störungen
  • Aktivitäten der Person
  • und deren Störungen
  • Partizipation in der Gesellschaft
  • und deren Beeinträchtigungen
  • Kontextfaktoren
  • (Umgebungsfaktoren und persönliche Faktoren)
    Die ICF beschreibt auch - wie Pflegediagnosen - Probleme, die als Folgen von oder im Zusammenhang mit Krankheiten in Erscheinung treten. Die Unterscheidung von körperbezogenen, personbezogenen und gesellschaftsbezogenen Problemen hat sich in der Testversion als nützlich erwiesen. In der definitiven Version hat sich allerdings gezeigt, dass es nicht ganz einfach ist, personbezogene und gesellschaftsbezogenen Aspekte voneinander zu trennen. Als Lösung wurde eine gemeinsame Codierungsliste "Aktivitäten und Partizipation" definiert. Eine Aussage kann nun einem der beiden Aspekte "Aktivität" bzw. "Partizipation" zugeordnet werden, indem der entsprechende Code mit dem Präfix "a" oder "p" versehen wird. Eine solche Zuordnung kann umgangen werden, indem das Präfix "d" (disability) benutzt wird.
    Abb. 27:
    ICF: Struktur und Qualifikatoren
    Abb.: ICF: Struktur und Qualifikatoren

     

    *

    ICD-9-CM, Band 1
    ICD-10-CM
    Alternativ kann man sich auch fragen, wie weit sich eigentlich das etablierte Codierungssystem für Diagnosen nach ICD-9 mit Begriffssystemen von Pflegediagnosen überschneidet. Zufällig stiess ich im Internet auf den Seiten der Amerikanischen Vereinigung für Krankenpflege (ANA) auf eine Meldung, nach der angeblich 90% bis 95% der Pflegediagnosen gemäss NANDA, Omaha-System und HHCC direkt oder über Synonyme durch die Codierungssysteme ICD-9-CM, bzw. neu ICD-10-CM abgedeckt seien.2 Natürlich muss zuerst überprüft werden, in welchem Detaillierungsgrad die Abbildung vorliegt. Wenn eine brauchbare Übersetzung tatsächlich möglich ist - woran ich allerdings noch etwas zweifle3 -, dann wäre es nötig, einen Auszug aus diesen etablierten Klassifikationssystemen anzulegen und ihn versuchsweise als Liste von Pflegediagnosen im Praxiseinsatz zu testen.4 Und wenn dies nicht möglich ist, dann sollte zumindest gezeigt werden, zu welchen Pflegediagnosen Äquivalente bestehen und zu welchen nicht. Damit würde sehr deutlich sichtbar, dass es noch mehr gibt, als das, was mit einem etablierten System abgebildet werden kann.

    2 http:// www.nursingworld.org / pulse / idea2.htm.
    3 Anmerkung vom Dez. 2001: Die Zweifel haben sich als berechtigt erwiesen. Aufgrund eines Transcodierungsversuches von NANDA-Pflegediagnosen nach ICD-10 zeigte sich, dass nur ca. ein Fünftel der NANDA-Pflegediagnosen nach ICD-10 codiert werden können. - Vgl. Fischer W, DRGs und Pflege, 2002 und http:// www.fischer-zim.ch / auszuege-drg-pflege / NANDA-ICD10-0111.htm.
    4 Es ist dabei zu beachten, dass in den meisten Ländern Europas für die ärztliche Diagnosen nicht die amerikanischen, erweiterten CM-Version der ICD-Klassifikationen benutzt werden, sondern die internationalen Versionen der WHO (ICD-9 und ICD-10). Aus der ICD-9-CM wird in der Schweiz nur der amerikanische Ergänzungsband 3 mit den Prozeduren benutzt.
     
     

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    Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/text-pdg/Pflege-Diagnosen-42-Team-orientierte-Begriffs-Systeme-9901.htm
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