Fischer: Einleitung.

Z I M   «Pflegediagnosen» (2. Auflage) Kapitel 1 1999


1
Einleitung

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Seiten 7-10 aus:

Pflegediagnosen in Gesundheitsökonomie und Gesundheitsstatistik
978-3-905764-00-8

      
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Professiona­lisierung der Pflege Die amerikanische Pflegeforscherin Joice Fitzpatrick sagte 1992 auf der irischen Konferenz für Pflegediagnosen:
Die Entwicklung von Pflegediagnosen in Nordamerika
hat für die Entwicklung der Pflege als eigenständige Profession
mehr bedeutet als die ganze übrige Pflegeforschung zusammen.

Quelle: Mortensen (Pflegediagnosen, 1998): 14

Nun, ich weiss nicht, ob sich diese Aussage mit Ihren eigenen Überzeugungen deckt. Was mir als Aussenstehender aber wohl auffällt, ist die Tatsache, dass sich die Pflege sehr um Eigenständigkeit und Professionalität bemüht und diese zum Teil auch schon erreicht hat. Eines der Nebenresultate dieser Entwicklung fällt z.B. neuerdings regelmässig bei Diskussionen über Kostenberechnungen auf: Wenn die Frage ansteht, wie denn nun die Kosten pro Patient berechnet werden sollen, wurden bis vor wenigen Jahren noch offene Fragezeichen insbesondere in zwei Bereichen gesetzt: bei der Kalkulation der Arztkosten und der Pflegekosten. Heute haben die Pflegenden mit ihrer standardisierten Leistungserfassung die Ärzte mancherorts schmunzelnd rechts überholt... (wobei mir klar ist, dass das Schmunzeln des öftern erst geraume Zeit nach den Geburtswehen der ersten Implementierungsprojekte begann...)
Pflegediagnosen in Gesundheits­statistiken? An den Vorträgen von gestern und heute haben Sie sich aus Ihrer eigenen Berufsperspektive Gedanken gemacht über die Nützlichkeit und Notwendigkeit von Pflegediagnosen. Ich möchte nun folgende Fragen stellen:
Sind Pflegediagnosen nötig,
-  um Gesundheitsstatistiken zu führen ?
-  um Gesundheitsökonomie zu betreiben ?
Um es vorwegzunehmen: Ich denke, dass es sehr wichtig ist, möglichst bald quantifizierbare Informationen über die Pflege in sachgerechter und verständlicher Form nach aussen tragen zu können.

Als Aussenstehender stelle ich allerdings fest: Bis heute ist man ohne Pflegediagnosen ausgekommen; man hat sich einfach nicht darum gekümmert. U.a. war dies auch deshalb der Fall, weil es keine anerkannten Standards von Begriffssystemen für die Pflege gab. Aber neuerdings ist nun - auch in der Schweiz - etwas im Tun!

Projekt "Nursing Data" (Schweiz) In der Schweiz befasst man sich seit einiger Zeit mit der Idee, Pflegediagnosen und weitere Aussagen der Pflege als Ergänzung des Minimaldatensatzes von Spitälern zu erheben.
Der Minimaldatensatz wird im Rahmen der nun obligatorischen Medizinischen Statistik in der Schweiz seit 1998 erhoben. Er enthält zur Beschreibung der Fälle die Codes der ärztlichen Diagnosen und der ärztlichen Prozeduren.

Das schweizerische Pflegedaten-Projekt erhielt den Namen Nursing Data. Die Arbeiten begannen in der zweiten Hälfte des Jahres 1998. Das Projekt wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) finanziert. Man möchte aus gesundheitsstatistischer Sicht wissen, "was die Pflege tut" und "warum sie es tut". Deklariertes Ziel des Projektes ist es, "bis Ende des nächsten Jahres ein System zu empfehlen, welches eine gesamtschweizerisch 'einheitliche Sprache' für die Beschreibung von Pflegediagnosen und Pflegeleistungen ermöglicht. Dies in Analogie zu den medizinischen Nomenklaturen ICD-10 und ICD-9-CM sowie der ärztlichen Leistungsnomenklatur gemäss GRAT (resp. GRAT/Infra für den Spitalbereich)."1


1 Pressemitteilung zum Projekt "Nursing Data" - gesundheitsstatistische Daten der Pflege; Oktober 1998.
Der Minimaldatensatz soll also ergänzt werden insbesondere um Angaben zu den Pflegediagnosen und zu den Pflegeleistungen:
Abb. 1:
Datenfelder eines ergänzten Minimaldatensatzes 2
Minimaldaten
  • Alter, Geschlecht
  • Eintritts- und Austrittsdatum, Eintritts- und Austrittsart
  • ärztliche Diagnosen
  • ärztliche Prozeduren
Mögliche Zusatzdaten der Pflege
  • Pflegediagnosen
  • Pflegeleistungen
  • Pflegeergebnisse
  • Pflegeintensität

2 Vgl. dazu BFS-CH: (Medizinische Statistik, 1997): 20f und: Fischer (PCS/Pflege, 1995): 95ff.
 
 
Gesundheitsstatistik / Gesundheitsökonomie Als Gesundheitsstatistiker und als Gesundheitsökonom muss ich mich fragen, ob diese Informationen mir helfen, meine Fragen zu beantworten.
Abb. 2:
Fragestellungen von Gesundheitsstatistik und Gesundheitsökonomie
Gesundheitsstatistik Gesundheitsökonomie
  • Welche gesundheitlichen Phänomene kommen vor?  
     
  • Welcher Aufwand wird zur Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung betrieben?  
     
  • Wodurch werden die Kosten bestimmt?  
     
  • Was für ein Bedarf besteht?  
     
  • Kostet es nicht zuviel?  
     
  • Wurden die vorhandenen Gelder bestmöglichst verwendet?
Sie sehen also: Die Fragestellungen überschneiden sich teilweise. Der Gesundheitsstatistiker legt dabei das Hauptgewicht auf beobachtenden Analysen; der Gesundheitsökonom will insbesondere die Kosten beurteilen und stellt kritische Fragen zur Wirtschaftlichkeit. Und: Weder Gesundheitsstatistiker noch Gesundheitsökonomen interessieren sich von Hause aus besonders für die Pflege, sondern mehr für das Gesamtsystem "Gesundheitswesen". Das bedeutet natürlich, dass Sie von der Pflege her klarstellen müssen, dass und wofür es Informationen der Pflege braucht.
Themen des Vortrages Im Folgenden möchte ich mich nur mit einigen ausgewählten Fragestellungen befassen. Ich werde im Weiteren nicht darauf eingehen, dass Pflegediagnosen in der Gesundheitsstatistik eine Ergänzung von epidemiologischen Daten sein könnten, da sie sich - im Unterschied zu ärztlichen Diagnosen - weniger mit den Krankheiten selbst als mit deren Folgeerscheinungen befassen. Heute möchte ich Folgendes zur Sprache bringen:
  • Welche Rolle spielen Pflegediagnosen bei der Erklärung der Behandlungskosten?  
     
  • Welche Rolle spielen Pflegediagnosen bei der Ermittlung des Leistungsbedarfs? Warum sollte unterschieden werden zwischen Leistungsbedarf und erbrachten Leistungen?  
     
  • Da Pflegediagnosen, Ziele und Pflegeergebnisse Zustandsbeschreibungen sind, kann zu deren Benennung prinzipiell das gleiche Begriffssystem verwendet werden.  
     
  • Es muss studiert werden, ob - aus der Sicht des Behandlungsteams - berufsübergreifende Begriffssysteme nicht eine effizientere Dokumentation und Nutzung der Behandlungsinformationen erlauben würden.

Z I M  -  Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
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Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/text-pdg/Pflege-Diagnosen-1-Einleitung-9901.htm
( Letztmals generiert: 06.01.2012 )