Z I M - Auszug DRG+Pflege |
Sept. 2001
Letzte Änderung: 17.12.2013 |
Überlegungen zur Wahl
|
Wolfram Fischer
Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG
(Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/
Auszug aus:
Fischer W:
Diagnosis Related Groups (DRGs) und Pflege
Grundlagen, Codierungssysteme, Integrationsmöglichkeiten
ISBN 978-3-456-83576-1
Huber-Verlag, Bern
|
|
|
|
|
D |
Überlegungen zur Wahl von Klassifikationskriterien |
|||||||||||||||||||||||||
D.1 |
Anforderungen an DRG-Systeme unter Berücksichtigung der pflegerischen Sicht |
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 1: |
||||||||||||||||||||||||||
Zeichnung: © Franziska und Olivia Fischer, 2001. |
||||||||||||||||||||||||||
Was ist kostenrelevant? |
In der obigen Zeichnung von meinen Kindern sieht man eine behandelnde Person, die sich dem Bein widmet, während die Patientin an ihre Katze denkt, die nun allein zu Hause ist. Das sin zwei Welten, die je nach Behandlungsmodell nebeneinander stehen oder miteinander gesehen werden: das gesundheitliche Problem mit dem Bein, und all die Fragen, welche die Patientin im Zusammenhang damit hat. |
|||||||||||||||||||||||||
1 Vgl. Fiechter/Meier [Pflegeplanung, 1993]: 17. |
Fiechter und Meier sagen: «Im Mittelpunkt des Interesses der Schwester steht der Mensch, insbesondere derjenige, der Gesundheits- oder Beziehungsprobleme hat, und seine Umwelt. Ihre Hauptaufgabe ist es, dem ihr anvertrauten Mensch in seinem Anpassungsprozess beizustehen, ihm zu helfen, in einem physischen, psychischen oder sozialen Gleichgewicht zu bleiben oder ein neues Gleichgewicht zu finden, wenn er mit bleibenden Behinderungen leben muss.»1 |
|||||||||||||||||||||||||
Auf Patientenklassifikationssysteme bezogen heisst das, in umfassender Weise nach allen Aspekten zu fragen, welche behandlungsbestimmend und kostenrelevant sind. |
||||||||||||||||||||||||||
2 Der Behandlungsaufwand berechnet sich aus:
|
Klassifikationskriterien sollen den Leistungsbedarf bestimmen |
Mit Patientenklassifikationssystemen wird versucht, durch Gruppenbildung den Soll-Behandlungsaufwand,2 d. h. den Leistungsbedarf zu schätzen. Kriterien zur Gruppenbildung sollten daher nicht solche sein, welche die Behandlungskosten 1:1 abbilden, sondern solche, aus denen eine möglichst optimale Behandlung abgeleitet werden kann. Nicht das, was getan wurde, soll gemessen werden, sondern aufgrund der Problemstellung und der Ziele soll abgeleitet werden können, was getan werden sollte. Es sollen nicht die erbrachten Leistungen gemessen werden; es geht darum, den Leistungsbedarf schätzen zu können. Konkreter heisst dies: Die Klassifikationskriterien sollten nicht Interventionen oder Prozeduren sein, sondern: Probleme, Ressourcen des Patienten und Ziele. |
||||||||||||||||||||||||
3 Eine Ausnahme ist «Disease Staging» (D.S.), welches nur Diagnosen zur Gruppierung verwendet. – Gonella et al. [Disease Staging, 1984]. |
Mangelhafte Anwendung in DRG-Systemen |
In vielen Patientenklassifikationssystemen wird nicht nur der Behandlungszustand, sondern auch das angewandte Behandlungsverfahren als Gruppierungskriterium verwendet, da aus den verfügbaren Informationen die erforderliche Behandlung bzw. deren Kosten noch zu ungenau geschätzt werden konnten.3 DRGs z. B. werden bei konservativer Behandlung von der Zustandsbeschreibung in Form von Diagnosen, bei chirurgischer Behandlung jedoch von der wichtigsten chirurgischen Prozedur abgeleitet. |
||||||||||||||||||||||||
Beispiel einer Pflegekostenklassifikation aufgrund der Erhebung von Fähigkeitseinschränkungen |
In der in Abschnitt E.5.3 kurz vorgestellten TAR-Pflegekostenklassifikation gelang es, den täglichen Pflegeaufwand ohne Bezugnahme auf die durchgeführten Pflegeinterventionen allein aufgrund der Beschreibung eines Aspektes des Patientenzustandes – nämlich der Fähigkeitseinschränkungen gemessen mit FIM – zu etwa 65 % zu erklären. |
|||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
|
Fragen zur DRG-Konstruktion |
Nach dieser Einleitung nun die Fragen:
|
||||||||||||||||||||||||
4 Natürlich tat man dies auch, weil in medizinischen Klassifikationen kaum nicht operative Prozeduren anzutreffen sind. 5 Wie mir Robert Fetter, der die ersten DRGs mit dem Yale-DRG-Team entwickelt hatte, 1993 erklärte, sei dies zunächst nur deshalb geschehen, weil die ärztlichen Diagnosen allein zu wenig Erklärungskraft gehabt hätten. |
Zur ersten Frage: Ursprüngliches Anliegen bei der Bildung der DRGs («Diagnosis Related Groups») war es, die Kosten aufgrund der Diagnosen als Indikatoren für die zu behandelnden Probleme zu schätzen. Bei nicht operativen Behandlungen blieb man bei diesem Ansatz.4 Bei chirurgischen Behandlungsfällen zog man, wie oben erwähnt, auch die wichtigste operative Prozedur, welche als Indikator für die anfallenden Leistungen angesehen werden kann, als Klassifikationskriterium bei.5 Dadurch gewann man bei den chirurgischen DRGs mehr an Erklärungskraft, verliess aber gleichzeitig die ursprünglichen Prinzipien. |
|||||||||||||||||||||||||
Zur zweiten Frage: Aufgrund des bislang Dargelegten zur Frage der Homogenität sowohl aus der Sicht der Gesamtkosten wie auch aus der Sicht der Pflegekosten muss festgehalten werden, dass ärztliche Diagnosen und Prozeduren zwar kostenrelevante Kriterien sind, dass es aber noch mehr Variablen zu geben scheint, welche einen massgeblichen Einfluss auf die Behandlung und damit auch auf die Kosten haben. |
||||||||||||||||||||||||||
Gesucht sind also jene Informationen zu den Probleme des Patienten und zur Behandlung, die tatsächlich kostenrelevant sind. |
||||||||||||||||||||||||||
|
Bei dieser Suche sind zwei weitere Unterscheidungen hilfreich, die in den folgenden Kapiteln näher beschrieben werden:
|
|||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.2 |
Wie kann Pflege deklariert werden? |
|||||||||||||||||||||||||
D.2.1 |
Einleitendes Beispiel |
|||||||||||||||||||||||||
6 Entnommen aus: Fischer [Pflegeleistung, 1996]. |
Um dem Thema zunächst einmal beispielhaft etwas näher zu kommen, stelle ich mir vor,
ich sei Pfleger an einem Regionalspital und
in dieser Funktion unterwegs,
um das Bett von Herrn Huber frisch anzuziehen.
Da spricht mich jemand von der Pflegedienstleitung an
und fragt mich, was ich gerade tue.
Was werde ich ihr sagen?6
|
|||||||||||||||||||||||||
Arten von Antworten |
Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass die Frage: «Was tun Pflegende?» auf sehr unterschiedliche Arten beantwortet werden kann. |
|||||||||||||||||||||||||
|
Es geht um die Fragen:
|
|||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.2.2 |
Der «Pflegeprozess» |
|||||||||||||||||||||||||
7 Ressourcen des Patienten sind Kräfte, Fähigkeiten und Möglichkeiten, die dem Patienten zur Verfügung stehen und die er zur Gesunderhaltung und/oder zur Bewältigung der Krankheit einsetzen kann. 8 Das Prognose beschreibt den im Anschluss an eine geplante Behandlung zu erwartenden Gesundheitszustand. 9 Das Gesundungspotenzial ist der bei optimaler Behandlung erreichbare Gesundheitszustand. – Fischer [PCS, 1997]: 34 in Anlehnung an den Begriff «Rehabilitationspotenzial» nach Schmidt et al. [PhysMed+Reha, 1995]: 293. |
Behandlungsablauf |
Der idealisierte Ablauf einer Behandlung sieht wie folgt aus [Tafel 2]: Zu Beginn werden Probleme und Ressourcen des Patienten7 festgestellt, Prognose8 und Gesundungspotenzial9 werden geschätzt: Dies ist die Beschreibung des Gesundheitszustandes. Zusammen mit dem Patienten wird daraufhin über die kurz- und längerfristigen Ziele entschieden. Wenn die Nahziele genügend spezifisch formuliert werden, ist damit der Behandlungsbedarf bestimmbar, nämlich als die erforderlichen Leistungen. Diese werden in der Planung aufgenommen, so weit es unter den gegebenen Umständen möglich ist. Die anschliessend durchgeführte Behandlung wird bestimmte Kosten zur Folge haben. Es entsteht ein neuer Gesundheitszustand, und Prognose und Gesundungspotenzial können neu geschätzt werden.10 |
||||||||||||||||||||||||
11 Gegenüber den normalerweise vorzufindenden Darstellungen wurde noch der implizit vorhandene Schritt der «Bedarfsbestimmung» benannt, um zwischen Leistungsbedarf und tatsächlich geplanten Leistungen differenzierter unterscheiden zu können. |
Die zugehörigen Tätigkeiten der Pflege sind im sogenannten «Pflegeprozess» aufgeführt und gegliedert. [Tafeln 2 und 3]11 |
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 2: |
|
|||||||||||||||||||||||||
Quelle: Nach Fischer [Pflegediagnosen, 1999/2001]: 29, Brobst et al. [Pflegeprozess, 1996]: 20 und Fiechter/Meier [Pflegeplanung, 1993]: 30. |
||||||||||||||||||||||||||
Tafel 3: |
||||||||||||||||||||||||||
Quelle: Fischer [DRG+Pflege, 2002]: 78. |
||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.3 |
Zustand des Patienten und Aktivitäten der Pflege |
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 4: |
||||||||||||||||||||||||||
Zeichnung: © Wolfram Fischer. |
||||||||||||||||||||||||||
12 Fischer [Leistungsmessung, 1994]: 62 f; Fischer [PCS, 1997]: 35 f. – Auch in Hunstein/Bartholomeyczik [DRGs+Pflege, 2001]: 25 und weiteren Publikationen dieser Autoren (u. a. Bartholomeyczik et al. [Pflegezeit, 1999]: 100) findet sich diese Trennung. Dort werden Probleme und Ressourcen des Patienten als «Pflegebedürftigkeit» beschrieben. Dieser wird der «Pflegebedarf» gegenübergestellt, welcher von der Pflegebedürfigkeit, den Umweltfaktoren und den Behandlungszielen abhängig ist und durch die erforderlichen Pflegeinterventionen beschrieben wird. |
Bei der Dokumentation der Behandlung von Patienten gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Perspektiven, die auch bei der Bedarfsermittlung zu beachten sind:12
|
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 5: |
|
|||||||||||||||||||||||||
Zustand, Ziele und Ergebnisse |
Bei der Sicht auf den Patienten hat man die Patientenmerkmale im Blickfeld. Sie umfassen seinen Zustand (seine gesundheitlichen Probleme und Ressourcen sowie deren Ursachen einschliesslich der begünstigenden und behindernden umweltbedingten Kontextfaktoren), die Behandlungsziele und die Behandlungsergebnisse. [Tafeln 5 und 6] |
|||||||||||||||||||||||||
All diese Aussagen können unter dem Oberbegriff «Zustandsbeschreibungen» zusammengezogen werden. Denn nicht nur die Beschreibung der aktuellen Probleme, Risiken und Ressourcen des Patienten sind Zustandsbeschreibungen, sondern auch die Behandlungsziele und die Behandlungsergebnisse: [Tafel 7]
|
||||||||||||||||||||||||||
Diese Informationen setzen gewissermassen den Rahmen für die Behandlung. Damit lassen sich Pflegeleistungen planen und die Pflege beurteilen. |
||||||||||||||||||||||||||
Aktivitäten |
Bei der Sicht auf die Pflege werden Behandlungsmerkmale beschrieben. Dies sind die vorhandenen und die eingesetzten Ressourcen der Pflege, die Leistungen der Pflege und deren Kosten. Die Leistungen der Pflege können sein:
|
|||||||||||||||||||||||||
13 Fischer [PCS-Pflege, 2001]: 25. – Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass in PRN die effektiv geplanten Leistungen unkorrekterweise als «erforderliche Leistungen» bezeichnet werden. |
Es wird hier bewusst unterschieden zwischen erforderlichen und geplanten Leistungen. Die erforderlichen Leistungen beziehen sich auf die notwendigen Leistungen. (Dies ist der Leistungsbedarf.) – Mit den geplanten Leistungen sind nicht die zu planenden, sondern die effektiv geplanten Leistungen gemeint, bei denen budgetäre, institutionelle und personelle Einschränkungen bereits berücksichtigt sind. (Dabei gehe ich von der Annahme aus, dass das, was wegen zu knappen finanziellen Mitteln und fehlendem Leistungspotenzial des Betriebes nicht ausgeführt werden kann, gar nicht erst geplant wird.)13 |
|||||||||||||||||||||||||
Kosten |
Die Aktivitäten können monetär bewertet werden. Daraus werden die Kosten der Behandlung errechnet. Die Kosten entstehen also nicht direkt wegen den Gesundheitsproblemen, sondern infolge der während des gesamten Pflegeprozesses anfallenden Tätigkeiten und der verwendeten Sachmittel. [Tafel 8] |
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 6: |
|
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 7: |
|
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 8: |
||||||||||||||||||||||||||
Quelle: Nach Fischer [Pflegediagnosen, 1999/2001]: 26. |
||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.4 |
Leistungsbedarf und erbrachte Leistungen |
|||||||||||||||||||||||||
D.4.1 |
Bestimmung des Leistungsbedarfs |
|||||||||||||||||||||||||
Als Leistungsbedarf wird die erforderliche Pflege bezeichnet. Der Leistungsbedarf kann beschrieben werden durch das für den konkreten Fall optimale Massnahmenbündel. |
||||||||||||||||||||||||||
Zustand + Ziele |
Bei einem Blick auf den Pflegeprozess wird klar, dass es zur Auslösung von Pflegeleistungen die Beurteilung des Gesundheitszustandes samt den Kontextfaktoren und die Festlegung von Pflegezielen braucht. |
|||||||||||||||||||||||||
Wenn also Behandlungsprobleme und Behandlungsziele festgehalten sind, kann auch das optimale Leistungsbündel bestimmt werden. Da die Leistungen bewertbar sind, können in der Folge auch die Kosten geschätzt werden. Idealerweise gilt: «Problem A führt bei Ziel B typischerweise zu Kosten von ca. X Franken.» [Tafel 9] |
||||||||||||||||||||||||||
Tafel 9: |
||||||||||||||||||||||||||
Quelle: Nach Fischer [Pflegediagnosen, 1999/2001]: 30. |
||||||||||||||||||||||||||
Die Bedeutung der Behandlungsziele |
Angaben über den Gesundheitszustand allein (und über den Leistungserbringertyp) können allenfalls dann zur Schätzung des Leistungsbedarfs genügen, wenn die Behandlungsziele zum Vorneherein klar sind. Dies ist eine Perspektive, die aus ärztlicher Sicht öfter zutrifft als aus pflegerischer Sicht. Wenn nun aber aus der Beschreibung des Gesundheitszustandes allein die typische Behandlung noch nicht ableitbar ist, sobald man sich also – zusammen mit dem Patienten und den übrigen Mitgliedern des Behandlungsteams – auch noch über die Behandlungsziele einigen muss, müssen ebendiese Ziele auch erhoben werden, um den Leistungsbedarf bestimmen zu können. – Ein Beispiel: Es muss entschieden werden, ob einem Patienten, der Probleme beim Ankleiden hat, einfach in die Kleider geholfen werden soll, oder ob es Aufgabe der Pflege ist, während der Zeit des Aufenthaltes mit dem Patienten soweit zu trainieren, dass er sich wieder ohne Hilfsperson anziehen kann, obwohl er in den Armen motorisch beeinträchtigt ist. |
|||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.4.2 |
Gegenüberstellung von Leistungsbedarf und erbrachten Leistungen |
|||||||||||||||||||||||||
14 Dies kann z. B. mittels Behandlungspfaden gemacht werden. Vgl. dazu Kapitel G.4. 15 Systeme zur Pflegeleistungsmessung werden in Kapitel G und K vorgestellt und diskutiert. 16 Vgl. dazu auch: Fischer [Leistungsmessung, 1994]: 67–74 oder Fischer [PCS, 1997]: 410–412. |
Ist-Kosten- |
Wenn der Leistungsbedarf monetär bewertet wird, dann erhält man Soll-Kosten.14 Die erbrachten Leistungen der Pflege können mittels Systemen zur Pflegeleistungsmessung erhoben und bewertet werden.15 Daraus ergeben sich Ist-Kosten. Das Verhältnis zwischen Leistungsbedarf und erbrachten Leistungen ist ein Mass für die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) der Leistungserbringung.16 |
||||||||||||||||||||||||
Tafel 10: |
|
|||||||||||||||||||||||||
Aus den Formeln in Tafel 10, insbesondere aus Formel (3) wird ersichtlich: Wenn mehr Leistungen erbracht werden, als notwendig sind, dann sinkt der Wirtschaftlichkeitsgrad unter 1 (bzw. unter 100 %). Umgekehrt steigt er über 1, wenn weniger Leistungen erbracht werden, als notwendig sind. Ideal ist es, wenn nicht mehr und nicht weniger als die notwendigen Leistungen erbracht werden. |
||||||||||||||||||||||||||
(Es muss beachtet werden, dass ein solcher Soll-Ist-Kosten-Vergleich eine rein wirtschaftliche Betrachtung darstellt. Er sagt nichts aus über die Wirksamkeit [Effektivität] und Qualität der erbrachten Leistungen.) |
||||||||||||||||||||||||||
Auswahl von Klassifikationskriterien |
Wenn man sich aus dieser Perspektive nochmals überlegt, welche Gruppierungskriterien für Patientenklassifikationssysteme in Frage kommen, dann sieht man, dass es solche sind, die den «output» beschreiben sollen, solche also, welche den Leistungsbedarf und nicht die erbrachte Leistung bestimmen. Wenn nun in DRG-Systemen auch Prozeduren (d. h. erbrachte Leistungen!) zur Gruppierung verwendet werden, dann haben die Wirtschaftlichkeitsberechnungen auf dieser Ebene nur noch teilweise einen Sinn. Ein Fall mit einer aufwändigen Behandlung erhält nämlich damit primär deswegen ein hohes DRG-Gewicht, weil ein teures Verfahren gewählt wurde, und nicht, weil der Patient ein schwerwiegendes und aufwändig zu behandelndes Problem mitbrachte. Hätte man bei gleicher Problematik ein etwas kostengünstigeres Verfahren (mit einer anderen DRG und einem niedrigeren Kostengewicht) gewählt, hätte man per definitionem [nach Formel (1)] wirtschaftlicher gehandelt, denn man hat für den gleichen Output (Behandlung eines Falles mit einer bestimmten Problematik) dank des günstigeren Verfahrens weniger Kosten erzeugt. Nach Formel (6), welche eine DRG-bezogene Operationalisierung der Formel (1) darstellt, wäre es allerdings nicht mehr so sicher, ob wirtschaftlicher gearbeitet worden ist, denn es könnte auch sein, dass die Ist-Kosten weniger gesunken sind, als das Kostengewicht der DRG, welche zum kostengünstigeren Verfahren gehört. |
|||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.5 |
Mögliche Klassifikationskriterien in DRG-Systemen |
|||||||||||||||||||||||||
17 Primäre Probleme rechtfertigen den Krankenhausaufenthalt. Sekundäre Probleme sind zusätzliche Probleme, die den Behandlungsaufwand erhöhen. – Vgl. Fischer [PCS, 1997]: 41. 18 Das Gesundungspotenzial ist der bei optimaler Behandlung erreichbare Gesundheitszustand. – Fischer [PCS, 1997]: 34. 19 Behandlungsziele lassen sich beschreiben als angestrebte Veränderung des Patientenzustandes. |
Grundsätzlich sind bei der Konstruktion von Patientenklassifikationssystemen folgende wesentliche Klassifikationsdimensionen zu beachten [Tafel 11]:
|
|||||||||||||||||||||||||
Weitere Dimensionen wie «Beherbergungsart» («allgemein», «halbprivat», «privat») oder «Lehre und Forschung» sind hier nicht aufgeführt, da sie nicht Teile eines Patientenklassifikationssystems sein sollten, sondern Elemente des Vergütungsmodelles. |
||||||||||||||||||||||||||
Tafel 11: |
||||||||||||||||||||||||||
Quelle: Fischer [DRG+Pflege, 2002]: 84. |
||||||||||||||||||||||||||
Da viele der etablierten Patientenklassifikationssysteme nach dem Vorbild der DRGs eine eindimensionale Struktur anstreben, sind einzelne dieser Dimensionen in eine hierarchische Struktur eingepasst worden; andere Dimensionen sind weggelassen worden. |
||||||||||||||||||||||||||
|
Primäre Ansatzpunkte für Erweiterungen |
Wenn nun nach weiteren kostenrelevanten Klassifikationskriterien Ausschau gehalten wird, um die Homogenität von DRGs zu verbessern, dann sind die primären Ansatzpunkte:
|
||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
D.6 |
DRG-Bezug von Kriterien der Pflege |
|||||||||||||||||||||||||
Wenn zusätzliche Kriterien zur Bildung von DRGs oder weiteren Patientengruppen ausgewählt werden, ist zu fragen, welchen Bezug diese Kriterien zu den bestehenden DRGs haben. |
||||||||||||||||||||||||||
Aus der Sicht der Pflege insbesondere wichtig ist, ob die Patientenprobleme, welche die Pflege behandelt, im Zusammenhang mit ärztlichen Diagnosen oder Prozeduren stehen (und damit auch im Zusammenhang mit den dazugehörigen DRGs) oder nicht. |
||||||||||||||||||||||||||
20 Im Fallbeispiel von Kapitel N ist dies die «Cholelithiasis mit akuter Cholecystitis». Der Zusatz «akute Cholecystitis» stellt hier eine Art Schweregrad dar. 21 Zum Beispiel «Adipositas». 22 Zum Beispiel «akuter Schmerz». 23 Zum Beispiel «Wissensdefizit». |
Vorbestehende Probleme |
Der Ausgangszustand umfasst die bei der Behandlungsaufnahme bereits bestehenden gesundheitlichen Probleme. In Tafel 12 ist dargestellt, wie sich diese vorbestehenden Probleme aus ärztlicher Sicht in Form von Hauptkrankheiten20 und Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) darstellen lassen.21 Aus pflegerischer Sicht gibt es vorbestehende Probleme, deren Ursache im Einzelfall mit einer ärztlichen Diagnose benannt werden kann,22 und solche, die unabhängig von ärztlichen Diagnosen formuliert werden.23 |
||||||||||||||||||||||||
24 Zum Beispiel «Hautdefekt», «körperlich beeinträchtigte Mobilität». |
Neue Pflegeprobleme infolge ärztlicher Massnahmen |
Durch ärztliche Massnahmen können zusätzliche, neue Pflegeprobleme entstehen.24 |
||||||||||||||||||||||||
25 Zum Beispiel «Infusionstherapie». – Weisungsgebundene Leistungen werden von Manchen auch als «delegierte medizinische Aufgaben» oder «Mitarbeit bei medizinischer Diagnostik und Therapie» bezeichnet. |
Weisungsgebundene Pflegeleistungen |
Pflegeleistungen können über ärztliche Weisungen (Verordnungen) ausgelöst werden.25 |
||||||||||||||||||||||||
26 Zum Beispiel «Gespräch» mit dem Patienten oder mit den Angehörigen. |
Eigenständige Pflegeleistungen |
Pflegeleistungen können aber auch von der Pflege aufgrund der vorliegenden Pflegediagnosen und der zusammen mit den Patienten gesetzten Ziele eigenständig initiiert werden.26 |
||||||||||||||||||||||||
27 Zum Beispiel «Verwirrtheit», «Wissensdefizit» usw. |
Was berücksichtigen DRGs nicht? |
Wenn man sich nun fragt, welche Aussagen der Pflege bei der Gruppierung aufgrund von ärztlichen Diagnosen und Prozeduren in den einzelnen DRGs nicht enthalten sind, dann sind dies die unabhängig von den ärztlichen Diagnosen formulierten vorbestehenden Pflegeprobleme.27 – Pflegerische Folgeprobleme von ärztlichen Diagnosen und neue Pflegeprobleme als Folge von ärztlichen Massnahmen sind jedoch im Prinzip in einer DRG enthalten, da die ärztlichen Diagnosen und Massnahmen ja zur Bestimmung der DRG verwendet werden. Konkret werden allerdings gerade das Ausmass und der Schweregrad solcher Folgeprobleme den Pflegeaufwand und teilweise auch die Länge des Aufenthaltes in einem hohen Grad beeinflussen. |
||||||||||||||||||||||||
Eigenständige Pflegeinterventionen, die Antwort auf vorbestehende Pflegeprobleme sind, werden bei der DRG-Gruppierung auch nicht berücksichtigt. Sie sollten jedoch nicht als erbrachte Leistungen, sondern als abzuleitender Leistungsbedarf durch Angabe eines Pflegeproblems und eines Behandlungszieles einfliessen. |
||||||||||||||||||||||||||
Potenzielle Klassifikationskriterien |
Zusammengefasst sind also von ärztlichen Diagnosen unabhängig formulierte Pflegeprobleme potenzielle Klassifikationskriterien der Pflege in DRG-Systemen. Im Weiteren können es auch Folgeprobleme aus ärztlichen Diagnosen oder neue Probleme infolge ärztlicher Massnahmen sein, und zwar dann, wenn sie ein untypisches Ausmass erreichen. |
|||||||||||||||||||||||||
Tafel 12: |
||||||||||||||||||||||||||
Quelle: Nach Fischer [Pflegeleistung, 1996]. |
||||||||||||||||||||||||||
Legende zu Tafel 12:
|
||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||
|
Literaturverzeichnis |
|||||||||||||||||||||||||
Bartholomeyczik S, Hunstein D, Koch V, Zegelin-Abt A. Evaluation der Orientierungswerte für die Pflegezeitbemessung. Forschungsbericht. Frankfurt (veröffentlicht bei Mabuse unter dem Titel: Zeitrichtlinien zur Begutachtung des Pflegebedarfs, 2001) 1999: 146 S. | ||||||||||||||||||||||||||
Brobst R, Clarke Coughlin AM, Cunningham D, Martin Feldman J, Hess Jr. RG, Mason JE, Fenner McBride LA, Perkins R, Romano CA, Warren JJ, Wright W. Der Pflegeprozess in der Praxis. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Nursing Process in Clinical Practice. Bern Göttingen Toronto Seattle (Huber) 1996 [1993]: 300 S. | ||||||||||||||||||||||||||
Fiechter V, Meier M. Pflegeplanung. Eine Anleitung für die Praxis. 9. Auflage, Basel (Recom) 1993: 215 S. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Möglichkeiten der Leistungsmessung in Krankenhäusern. Überlegungen zur Neugestaltung der Krankenhausstatistik. Bern (BSV: Beiträge zur sozialen Sicherheit: Forschungsbericht Nr. 1/94) 1994: 200 S. Info: http:// www.fischer-zim.ch / studien / KH-Leistungen-9407-Info.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. PCS and Casemix Types. A Theoretical Approach. In: Proceedings of the 11th PCS/E International Working Conference, Oslo 1995: 50–57. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / paper-en / PCS-Types-9506-PCSE.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Wie kann die Pflege zeigen, was sie leistet?. Skript zum Vortrag gehalten am SBK-Kongress in St. Gallen. 1996. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / artikel / Pflege-Leistung-9606-SBK.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Patientenklassifikationssysteme zur Bildung von Behandlungsfallgruppen im stationären Bereich. Prinzipien und Beispiele. Bern und Wolfertswil (ZIM) 1997: 514 S. Auszüge: http:// www.fischer-zim.ch / studien / PCS-Buch-9701-Info.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Die Bedeutung von Pflegediagnosen in Gesundheitsökonomie und Gesundheitsstatistik. 3., erweiterte Auflage, Wolfertswil (ZIM) 1999/2001: 47 S. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / studien / Pflege-Diagnosen-9902-Info.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Leistungserfassung und Patientenkategorisierung in der Pflege. Ein Überblick. 2., unveränderte Auflage (vergriffen), Aarau und Wolfertswil (ZIM) 2001 [1995]: 124 S. Info: http:// www.fischer-zim.ch / studien / Pflege-Leistungs-Erfassung-9501-Info.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Fischer W. Diagnosis Related Groups (DRGs) und Pflege. Grundlagen, Codierungssysteme, Integrationsmöglichkeiten. Bern (Huber) 2002: 472 S. Auszüge: http:// www.fischer-zim.ch / studien / DRG-Pflege-0112-Info.htm. | ||||||||||||||||||||||||||
Gonella JS, Hornbrook MC, Louis DZ. Staging of Disease. A Case-Mix Measurement. In: JAMA 1984(251)5: 637–644. | ||||||||||||||||||||||||||
Hunstein D, Bartholomeyczik S. DRGs und Pflege. In: Mabuse 2001 März/April(130): 24–26. | ||||||||||||||||||||||||||
Schmidt KL, Drexel H, Jochheim KA. Lehrbuch der Physikalischen Medizin und Rehabilitation. Stuttgart Jena New York (Gustav Fischer) 1995: 498 S. |
Z I M
-
Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
|
Vorheriger Auszug: | Inhaltsverzeichnisse: | Nächster Auszug: |
Inhaltsverzeichnis DRGs+Pflege | Auszüge DRGs+Pflege | Pflege in DRG-Systemen |
Navigations-Tabellen | ||
Z I M - Hauptseite |
© Z I M
Fundstelle =
http://www.fischer-zim.ch/auszuege-drg-pflege/Klassifikationskriterien-Wahl-0109.htm
( Letztmals generiert:
17.12.2013
)